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Synkope

Erstellt von: Andrea Rosemann, Simone Erni Zuletzt revidiert: 04/2023 Letzte Änderung: 04/2023

Aktualisierung 04/2023

Die Guideline wurde vollständig durchgesehen und aktualisiert.

 

1. Definition, Epidemiologie, Klassifikation (13)

Definitionen

Synkope

  • Plötzlicher, kurzer, spontan reversibler Bewusstseinsverlust mit Verlust des Muskeltonus. Ursächlich ist eine vorübergehende, globale zerebrale Hypoperfusion durch Abnahme des peripheren Widerstands und/oder Herzzeitvolumens. Die Erholung verläuft spontan, vollständig und innert wenigen Minuten.

Kurzzeitiger Bewusstseinsverlust/TLOC („transient loss of consciousness“)

  • Zeitlich umschriebene bis einige Minuten andauernde Bewusstlosigkeit ohne Festlegung auf die Pathogenese (z. B. Synkope, traumatische Ursachen, Hirnstammischämien, epileptische Anfälle, metabolische Störungen, dissoziative [psychogene] Anfälle).

 

Epidemiologie

  • Die Synkope ist ein sehr häufiges Symptom mit 2-gipfliger Altersverteilung im Teenageralter (Frauen) und dann bei über 70-Jährigen (beide Geschlechter betreffend) steigender Inzidenz (4, 5). Über eine Periode von 10 Jahren trat bei
    > 70-Jährigen in 23 % eine Synkope auf. Fast 30 % erleiden im Leben einmal eine Synkope, Frauen sind fast doppelt so häufig betroffen wie Männer (4, 5)
  • Ein oder mehrere Rezidive treten, je nach Ursache, in 30–43 % auf – während einer Beobachtungszeit von 30 Monaten (6). Die Mortalität beträgt ca. 6 % bei Synkopen unklarer Ätiologie, 30 % bei kardialer Ätiologie und 12 % bei nicht kardialer Ätiologie.

 

Einteilung

⇒ Die Synkope stellt keine Krankheit, sondern ein unspezifisches Symptom für ein vielfältiges Spektrum möglicher Störungen dar. Es lassen sich mehrere Gruppen unterscheiden:

Reflexsynkope (30–50 %)

Mechanismus

⇒ Nerval vermittelt, inadäquate Aktivierung eines kardiovaskulären Reflexes –> führt zu Vasodepression = Hypotension durch unzureichende sympathische Vasokonstriktion und/oder Kardioinhibition = Bradykardie oder Asystolie durch Vorherrschen der Parasympathikus-Aktivierung.

Je nach Auslöser unterscheidet man

  • Vasovagale (= neurokardiogene) Synkopen (Störung des neurokardiogenen Regelkreises): Häufigste Ursache einer Synkope bei jüngeren PatientInnen, auch vermehrt bei psychiatrischen Krankheiten wie Panikattacken, schweren ängstlich-depressiven Störungen. Die „klassische“ vasovagale Synkope ist meist getriggert durch schmerzhafte oder angstmachende Stimuli, langes Stehen, Hitzeexposition
  • Situativ: Bei Husten, Niesen, Lachen, Defäkation, Miktion (Verminderung der abdominellen Blutzufuhr beim Pressen), nach körperlicher Anstrengung
  • Karotissinussyndrom (Hypersensitivität des Karotissinus, arteriosklerotisch bedingt).

Orthostatische Hypotonie (10–20 %)

Mechanismus

⇒ Unzureichende Sympathikus-vermittelte Vasokonstriktion, meist Störung der autonomen kardialen Innervation. Hypotonie kann durch venöses Pooling exazerbieren bei Anstrengung, postprandial oder nach langer Bettruhe

  • Medikamentös: Vor allem Diuretika, ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten, Betablocker, SGLT2-Inhibitoren, Antidepressiva
  • Hypovolämie: Z. B. Blutung, Diarrhö, Erbrechen
  • Neurogen: Z. B. M. Parkinson, Lewy-Body-Demenz, Diabetes, Amyloidose

Kardiale Synkopen (5–15 %)

Mechanismus

⇒ Akute, transiente Verminderung des Herzzeitvolumens als Ursache zerebraler Minderperfusion

1. Rhythmogen (häufigste Ursache für kardiale Synkopen)

  • Bradykardie: Sick-Sinus-Syndrom, AV-Blockierung
  • Tachykardie: Tachyarrhythmia absoluta, AV-Knoten-Reentry-Tachykardie, Präexzitationssyndrom (z. B. WPW-Syndrom), Kammertachykardie, Torsades de pointes-Tachykardie
  • Implantat-Dysfunktion (Schrittmacher, ICD).

2. Strukturelle Herzerkrankungen

  • Aortenstenose, akuter Myokardinfarkt/Ischämie, hypertrophe Kardiomyopathie, kardiale Tumoren, Vorhofmyxom, Perikarderkrankung/Tamponade, Koronaranomalie, Klappenprothesen-Dysfunktion.

3. Kardiopulmonal und vaskulär

  • Lungenembolie, akute Aortendissektion, pulmonale Hypertonie.

Synkope unklarer Ursache (10–20 %)


Differentialdiagnosen

Von den Synkopen müssen differentialdiagnostisch abgegrenzt werden (1, 4)

Nicht synkopale Bewusstseinsverluste (10-20 %)

  • Epileptischer Anfall
  • Hypoglykämie
  • Intoxikationen.

Ereignisse ohne echten Bewusstseinsverlust

 

2. Diagnostisches Vorgehen (1, 2, 4, 7–13

2.1. Basisdiagnostik und Red Flags

Die Basisdiagnostik umfasst

  • Gründliche Anamnese (mit Fremdanamnese beim Ereignis anwesender Personen)
  • Körperliche Untersuchung inkl. Blutdruckmessung im Liegen und Stehen (bzw. als Schellong-Test)
  • 12-Kanal-EKG.

⇒ Bei fehlenden Red Flags und bei wahrscheinlich vasovagal, situativ bedingter oder orthostatischer, einmaliger oder selten auftretender Synkope braucht es keine Zusatzuntersuchungen! Diese PatientInnen sollen beruhigt werden und Patientenschulung zur Rezidivprophylaxe erhalten (19).

2.1.1. Anamnese

⇒ Eine gründliche Synkopenanamnese reicht häufig aus für eine Verdachts-/Diagnose!

  • Handelt es sich wirklich um einen Bewusstseinsverlust?
  • Sind Synkope-definierende Kriterien erfüllt (rascher Beginn, kurze Dauer, spontane komplette Erholung) oder handelt es sich um einen nichtsynkopalen Bewusstseinsverlust?
  • Sind Begleitverletzungen vorhanden, welche auf einen eindeutigen Bewusstseinsverlust hinweisen? Oder konnte sich der Patient wegen Prodromi noch rechtzeitig schützen? Ohne Prodromi/plötzlich weg ist ein Hinweis für mögliche kardiogene Synkope
  • Medikamentenanamnese ist wichtig, denn in bis zu 40 % der Fälle bei Synkopen besteht ein kausaler Zusammenhang (4)
    –> Orthostase-begünstigende Medikamente
    –> QT-Zeit-verlängernde Substanzen mit Risiko für arrhythmogene Ereignisse
    (s. crediblemeds); besonders gefährdet sind polypharmazierte Patienten
    (s. mediX Guideline Polypharmazie)
  • Frühere Synkopen? –> Alter bei Erstmanifestation, Häufigkeit/Frequenz, Trigger, Verletzungsfolgen
  • Vorbestehende Erkrankungen (v. a. kardial, neurologisch)
  • Familienanamnese (plötzlicher Herztod < 40-jährig, Kardiomyopathie/Herzinsuffizienz/ICD-Träger/Herz-OPs).

Typische Auslöser/Begleitumstände

 

2.1.2. Körperliche Untersuchung

  • Blutdruckmessung im Sitzen, Puls
  • Sturzverletzungen?
  • Herz-/Lungenbefund, insbesondere Insuffizienzzeichen, Hinweise auf Herzvitium
  • Strömungsgeräusche über Karotiden?

    Anm: Auskultation dient mehr der differentialdiagnostischen Abgrenzung z. B. zu einer TIA bei unklarem Ereignis. Eine Bewusstlosigkeit ist kein für Karotisstenosen typisches Symptom, eine routinemässige Duplexsonographie der hirnversorgenden Gefässe bei der Synkopenabklärung ist obsolet

  • Neurologische fokale Defizite?
  • Klinische Hinweise auf Exsikkose, Anämie (keine routinemässige Laborkontrollen indiziert)?
  • Periphere Neuropathie?

2.1.3. Ruhe-EKG (12-Kanal)

⇒ Das EKG ist diagnostisches Instrument zum Nachweis einer arrhythmogen und Ischämie-assoziierten kardialen Synkope sowie wesentlicher Bestandteil für die Einschätzung der Red Flags, siehe unten (4,15).

Hochrisiko-Kriterien im EKG

  • EKG-Veränderungen nach Synkope vereinbar mit akuter Ischämie
  • Bradykardes Vorhofflimmern < 40/min
  • Anhaltende Sinusbradykardie < 40/min oder wiederholter sinuatrialer Block oder Sinusarrest > 3 sec im Wachzustand bei untrainiertem Patienten
  • AV-Block II°, Typ Mobitz 2 oder AV-Block III°
  • Schenkelblock, intraventrikuläre Leitungsstörung, ventrikuläre Hypertrophie oder Q-Zacken vereinbar mit ischämischer Herzkrankheit oder Kardiomyopathie
  • Anhaltende und nicht-anhaltende Kammertachykardie
  • QTc > 460 ms in wiederholten EKGs hinweisend auf LQTS (bei QTc > 500 ms besteht ein 1,7-faches, bei > 550 ms ein 2,1-faches Risiko für potenziell letale Torsade-de-pointes-Tachykardien (16)
  • ST-Streckenhebung mit Typ-1-Morphologie in den Abl. V1–V3 (Brugada-Muster)
  • Schrittmacher- oder ICD-Fehlfunktion.

Minor-Kriterien im EKG

Werden nur dann als Hochrisiko gewertet, wenn Anamnese mit rhythmogener Synkope vereinbar ist

  • AV-Block II°, Typ Mobitz 1 (= Wenckebach) plus langer AV-Block I°
  • Asymptomatische inadäquate „milde“ Sinusbradykardie oder bradykardes Vorhofflimmern (40–50/min)
  • Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie oder paroxysmales Vorhofflimmern
  • QRS-Komplex mit Präexzitation (Delta-Wellen, verkürzte PQ-Zeit < 120 ms)
  • Verkürztes QTc-Intervall ≤ 340 ms
  • Atypische Brugada-Muster
  • Negative T-Wellen rechtspräkordial, Epsilon-Wellen hinweisend auf ARVC (arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie).

2.1.4. Schellong-Test (6, 20)

  • Soll früh im Abklärungsgang unklarer Sturz/Synkope erfolgen
  • Wichtig: Symptome während der Durchführung protokollieren, nicht nur BD und Puls
  • Gilt als diagnostisch, wenn ein pathologisches Kreislaufverhalten und entsprechende Symptome vorhanden sind
  • Bei formal pathologischem, klinisch jedoch asymptomatischem Test, ist mit typischer Anamnese eine orthostatische Synkope ebenfalls wahrscheinlich.

–> siehe auch mediX Kurz-Schellong-Test in der Praxis.

2.1.5. Red Flags

Anamnestisch

  • Neu aufgetretene Dyspnoe
  • Brust-, Abdominal-, Kopfschmerz
  • Synkope während Anstrengung oder im Liegen
  • Plötzliche Palpitation mit nachfolgender Synkope
  • Vorgeschichte mit schwerer struktureller oder koronarer Herzerkrankung (Herzinsuffizienz, niedrige LVEF oder früherer Myokardinfarkt).

Untersuchungsbefunde

  • Ungeklärte schwere Hypotonie mit BD < 90 mmHg systolisch
  • Verdacht auf gastrointestinale Blutung
  • Bisher unbekanntes oder ungeklärtes systolisches Herzgeräusch.

EKG-Risikokriterien

       –> s. o.

Anmerkung: Synkopen-Risiko-Scores bringen gegenüber einer sorgfältigen klinischen Beurteilung keinen Nutzen im klinischen Alltag (17, 18).



2.2. Erweiterte Diagnostik

⇒ Eine weiterführende Abklärung ist indiziert bei

  • PatientInnen mit Red Flags (siehe oben)
  • Patientinnen mit unklarer Synkope und EKG-Hochrisikomarkern benötigen eine intensivierte Überwachung im Spital (inkl. Telemetrie 6–24 h)
  • PatientInnen mit rezidivierenden, ätiologisch unklaren Synkopen (meistens ambulant abklärbar)
  • PatientInnen mit Synkopen mit Verletzungsfolge (ambulant oder Spital, je nach Schwere der Verletzung).

Folgende Untersuchungen kommen zum Einsatz

Rhythmus-Diagnostik (–> Kardiologe)

  • Telemetrie (meist Telemetrie 6–24h) –> im Rahmen einer intensivierten Überwachung bei PatientInnen mit Hochrisikomarkern und unklarer Synkope
  • Holter-EKG ist nur sinnvoll bei häufiger Prä-/Synkope (≥ 1 Episode/Woche), oder externer Loop-Rekorder, wenn er früh nach dem Indexereignis bei max. ≤ 4 Wochen symptomfreien Intervall eingesetzt wird
  • Implantierbarer Loop-Rekorder (ILR) ist zur Abklärung bei rezidivierenden Synkopen unklarer Genese und bei PatientInnen mit Hochrisikokriterien indiziert, bei denen eine ausführliche Abklärung keine Ursache ergab und keine primärprophylaktische Indikation zur Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD) oder Schrittmachers vorliegt
  • Elektrophysiologische Untersuchung nur wenn die Synkope nach nicht-invasiver Abklärung unklar bleibt.

Beurteilung der autonomen Funktion (–> Hausarztpraxis oder Kardiologe)

In der Hausarztpraxis

  • Valsalva-Manöver
    • Zur Abklärung bei vermuteter neurogener Orthostatischer Hypotonie (4)
    • Als Bestätigungstest spezieller situativ bedingter Reflexsynkopen (z. B. bei Husten, Spielen eines Blechblasinstruments, Singen und Gewichtheben).
  • Ambulantes Blutdruckmonitoring (ABPM)
    • Kann hilfreich sein, um bei autonomer Dysfunktion im Alltag auftretende OH und Liegendhypertonie sowie nächtliche Hypertonie zu erkennen
    • Es kann auch festgestellt werden, ob der BD während auf orthostatische Intoleranz hinweisender Episoden ungewöhnlich niedrig ist.

Beim Kardiologen

  • Kipptisch-Untersuchung (KTU)
    • Die KTU ist ein aussagekräftiger Bestätigungstest bei klinischer Verdachtsdiagnose einer Reflexsynkope, jedoch kein zuverlässiger Suchtest bei ungeklärter Synkope
    • Indikationen
      • Bestätigungstest bei Verdacht auf eine Reflexsynkope, orthostatische Hypotonie, posturalem Tachykardiesyndrom (POTS) oder psychogener Pseudosynkope (PPS)
      • Zur Differenzierung zwischen konvulsiver Synkope und Epilepsie (mit zusätzlicher EEG-Ableitung)
      • Zur Abgrenzung von Synkopen und Stürzen.

Karotissinusmassage (CSM) (–> Kardiologe)

Indikation

  • PatientInnen > 40 Jahre mit Synkope unklarer Ursache, wenn klinisch vereinbar mit einem Reflexmechanismus.

Bewertung im Rahmen der Synkopenabklärung

  • Die Untersuchung erfolgt unter EKG-Ableitung und kontinuierlicher Blutdruckmessung
  • Ein Karotssinussyndrom (CSS) gilt als diagnostiziert, wenn es unter CSM zu einer Asystolie > 3 sec und/oder Abfall des BDsys > 50 mmHg kommt, verbunden mit einer Prä-/Synkope.

Kontraindikation

  • Grossflächige Plaques oder Karotis-Stenosen > 70 % (bei Strömungsgeräusch über der Karotis ist vorgängig eine Duplexsonographie zum Ausschluss mobilisierbarer Plaques notwendig)
  • Schlaganfälle, TIAs innerhalb der letzten 3 Monate.

Ergometrie (–> Kardiologe)

  • Ist indiziert, wenn Synkope bei oder unmittelbar nach Belastung auftrat
  • Bestätigt eine Synkope durch AV-Block II° oder III°, wenn sich der AV-Block während der Belastung entwickelt, auch ohne Provokation einer Synkope während der Untersuchung
  • Bestätigt eine Reflexsynkope, wenn die Synkope sofort nach der Belastung bei gleichzeitig schwerer Hypotonie reproduziert wird.

Echokardiographie (–> Kardiologe)

  • Bei Verdacht auf eine strukturelle Herzerkrankung.

 

3. Therapie (1–3, 21, 22)    

3.1. Vasovagale Reflexsynkope und orthostatische Synkope

  • PatientInnen sollen über Ursache, die günstige Prognose und wirksame Massnahmen aufgeklärt werden!

Lifestyle-Massnahmen

  • Erlernen von Lifestylemodifikationen und Vermeidung von Triggerfaktoren/Medikamenten (4)
    • Auslösesituationen meiden, z. B. langes Stehen und Aufenthalt in engen Räumen
    • Rasches Absitzen/-liegen bei Auftreten von Prodromi
    • Ausreichende Trinkmengen (2–2,5 Liter Wasser täglich) und Kochsalzzufuhr
    • Tragen einer Kompressionsstrumpfhose idealerweise Klasse II bei häufigen Rezidiven
    • Ermunterung zu sportlichen Aktivitäten (moderates Ausdauertraining)
    • Erlernen isometrischer Gegendruckmanöver bei sich anbahnender Synkope (Hocken oder Kreuzen der Beine oder Anspannung der Bein-, Gesäss-, Bauch- und Armmuskeln).

Speziell bei vasovagaler Synkope

  • Yoga bei rezidivierender vasovagaler Reflexsynkope (26).

Speziell bei orthostatischer Synkope

  • Es gibt moderate Evidenz, dass das Absetzen oder Reduktion blutdrucksenkender Medikation mit einem adjustierten Zielwert von
    BPsys 140–150 mmHg das Wiederauftreten von Synkopen bei Hypotonie-Neigung reduziert (4).

Medikamente

⇒ Bei vasovagaler Synkope von geringem Stellenwert (23), auch bei orthostatischer Hypotonie nur in hartnäckigen Fällen, wenn nichtmedikamentöse Massnahmen wirkungslos bleiben (4, 23, 25)

  • Midodrin
    • Bei Orthostatischer Hypotonie: Midodrin (Gutron®) 3 x tgl. 5–10 mg, NW: Liegendhypertonus, Harnverhaltung, Parästhesien. Hinweis: Etilefrin (Effortil®) wird nicht empfohlen (4)
    • Bei Vasovagaler Synkope: Unklarer Nutzen, keine Therapieempfehlung (22).
  • Fludrocortison
    • Bei Orthostatischer Hypotonie: Fludrocortison (Florinef®): 0,1–0,2 mg/d, NW: Ödeme, Herzinsuffizienz, Hypokaliämie, bei Langzeiteinnahme Osteoporose u. a.
    • Bei Vasovagaler Synkope: Allenfalls moderate Effekte, kann in Einzelfällen bei jungen ansonsten gesunden Patienten mit tiefem syst. BD erwogen werden (4, 24).

Nicht empfohlene Medikamente

  • Betablocker sind die am häufigsten eingesetzten Medikamente, sind bei der vasovagalen Synkope aber nicht wirksamer als Placebo (8, 22)
  • Etilefrin (Alpha-Agonist) zeigte in placebokontrollierter Studie an 126 Patienten keinen positiven Effekt (27).

Schrittmachertherapie

  • Nach Reflexsynkope/n, bei ausgewählten > 40-Jährigen zur Verringerung von Rezidiven, wenn eine Kardioinhibition als dominanter Faktor nachgewiesen ist (4)
    • Bei spontaner/n dokumentierter/n Asystolie/n > 3 sec oder asymptomatischer/n Pause/n > 6 sec durch Sinusarrest und/oder AV-Blockierungen
    • Bei kardioinhibitorischem Carotissinus-Syndrom und häufig rezidivierenden, unvorhersehbaren Synkopen
    • Der/die PatientIn muss darauf hingewiesen werde, dass trotz Schrittmachertherapie weiterhin Synkopen auftreten können, da häufig ein kombinierter Synkopenmechanismus mit vasodepressorische Komponente vorliegt.

3.2. Kardiogen-rhythmogene Synkope

⇒ Während PatientInnen mit Reflex- oder orthostatisch bedingter Synkope primär durch ein erhöhtes Sturz- und Verletzungsrisiko gefährdet sind, aber keine erhöhte Mortalität aufweisen, ist die kardiale Synkope mit einer schlechten Prognose assoziiert, die 6-Monats-Mortalität beträgt bis 10 % (14)

  • Therapie einer zugrunde liegenden strukturellen Herzerkrankung, ggfls. Revaskularisation bei ischämischer Kardiopathie
  • Bei primär elektrischer Kardiopathie Evaluation auf QT-Zeit-modifizierende Medikamente und Abklärung hinsichtlich Indikation für einen ICD
    • Schrittmacher-Indikation bei bradykarder Rhythmusstörung oder Schenkelblock stellt der Kardiologe/die Kardiologin.
  • Tachykarde Herzrhythmusstörungen
    • Katheterablation ist die Therapie erster Wahl bei Synkopen aufgrund einer supraventrikulären oder ventrikulären Tachykardie (VT) bei strukturell unauffälligem Herzen (4)
    • Indikation zur ICD-Implantation stellt der Kardiologe/die Kardiologin.
  • Fahreignung nach Synkope

4. Literatur

  1. Parry SW, Tan MP: An approach to the evaluation and management of syncope in adults. BMJ 2010;340:c880. DOI: 10.1136/bmj.c880.
  2. Diehl RR, Hilz MJ, Steinhoff B, Schuchert A, Humm A, Wenning GK: Synkopen. In: Diener HC, Weimar C, Berlit P, et al., eds. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 5 ed. Stuttgart: Thieme Verlagsgruppe; 2012:58-73.
  3. Task Force for the Diagnosis and Management of Syncope of the European Society of Cardiology (ESC), European Heart Rhythm Association (EHRA), Heart Failure Association (HFA), et al.: Guidelines for the diagnosis and management of syncope (version 2009). Eur Heart J 2009;30(21):2631-71. DOI: 10.1093/eurheartj/ehp298.
  4. Brignole M, Moya A, de Lange FJ, et al.: 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J 2018;39(21):1883-1948. DOI: 10.1093/eurheartj/ehy037.
  5. Kenny RA BJ, King-Kallimanis BL: Epidemiology of syncope/collapse in younger and older Western patient populations. Prog Cardiovasc Dis 2013;55(4):357–63.
  6. Kapoor WN, Peterson J, Wieand HS, Karpf M: Diagnostic and prognostic implications of recurrences in patients with syncope. Am J Med 1987;83(4):700-8. DOI: 10.1016/0002-9343(87)90901-6.
  7. Sarasin FP: Synkope: woran denken, was abklären? Swiss Medical Forum 2008;8(49):957-960. DOI: 10.4414/smf.2008.06670.
  8. Sheldon R, Connolly S, Rose S, et al.: Prevention of Syncope Trial (POST): a randomized, placebo-controlled study of metoprolol in the prevention of vasovagal syncope. Circulation 2006;113(9):1164-70. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.105.535161.
  9. Cottier C: Kurzdauernde Bewusstlosigkeit (Synkopen) Teil 1: Einführung und Abklärungsgang bei Synkopen. Swiss Medical Forum 2002(18):430-436. (https://silo.tips/download/kurzdauernde-bewusstlosigkeit-synkopen-teil-1-einfhrung-und-abklrungsgang-bei-sy#).
  10. Cottier C, Hilfiker M: Kurzdauernde Bewusstlosigkeit (Synkopen) Teil 2: Spezielle Krankheitsbilder. Swiss Medical Forum 2002;02(18):437-443. DOI: 10.4414/smf.2002.04507.
  11. Höllinger P, Sturzenegger M: Kurzdauernde Bewusstlosigkeit (Synkopen) Teil 3: Neurologische Aspekte von Synkopen. Swiss Medical Forum 2002;02(19):468-472. DOI: 10.4414/smf.2002.04517.
  12. Duplyakov D, Golovina G, Garkina S, Lyukshina N: Is it possible to accurately differentiate neurocardiogenic syncope from epilepsy? Cardiol J 2010;17(4):420-7. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20690104).
  13. Humm AM: Synkopen – nichtepileptische anfallsartige Störungen auf kardiovaskulärer Basis. Epileptologie 2007(24):184-192. (https://www.epi.ch/wp-content/uploads/Artikel-Humm_4_07.pdf).
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  16. Viskin S JD, Halkin A, Zeltser D: Long QT syndrome caused by non-cardiac drugs. Prog Cardiovasc Dis 2003;45:415–27.
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5. Impressum

Diese Guideline wurde im April 2023 revidiert. 
© Verein mediX schweiz

Herausgeberin
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel

Redaktion
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel
Dr. med. Uwe Beise
Dr. med. Felix Huber
Dr. med. Maria Huber

Autoren
Dr. med. Andrea Rosemann
Dr. med. Simone Erni

Diese Guideline wurde ohne externe Einflussnahme erstellt – in Zusammenarbeit aller regionalen mediX Ärztenetze und assoziierter Ärztenetze in der Schweiz. Es bestehen keine finanziellen oder inhaltlichen Abhängigkeiten gegenüber der Industrie oder anderen Einrichtungen oder Interessengruppen.

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