Guideline

Proktologie

Erstellt von: M. Fliegner, H. Scotland Zuletzt revidiert: 06/2023 Letzte Änderung: 06/2023

Aktualisierung 06/2023

Die Guideline wurde vollständig durchgesehen, aktualisiert und in einzelnen Abschnitten geringfügig ergänzt.

 

Vorbemerkungen

  • Die Mehrzahl analer Beschwerden in der Praxis des Allgemeinmediziners ist nicht durch die meist als erstes angeschuldigten „Hämorrhoiden“ bedingt, sondern durch eine andere Entität (z. B. Analthrombose, Pruritus ani, Ekzem, Analfissur)
  • Im Falle von analen Beschwerden ist eine genaue Anamnese zu Stuhlgewohnheiten,
    -frequenz, -konsistenz, Dauer der Sitzungen und den Reinigungsgewohnheiten nach Defäkation wichtig, um eine Vorstellung von aggravierenden oder verursachenden Faktoren zu erhalten
  • Eine Patientenbroschüre zur Analhygiene ist bei der Magen-Darm-Liga erhältlich.

 

 

1. Proktologische Untersuchung in der Hausarztpraxis

Durch eine gute Anamneseerhebung kann in der Proktologie meist eine (Verdachts-)diagnose gestellt werden, die sich durch eine kurze Untersuchung bestätigen lässt.

Anamnese

Wichtige grundsätzliche Fragen bei der proktologischen Anamnese

  1. Schmerzen? Wann treten diese auf? Schmerzcharakter, Dauer, Verlauf?
  2. Blut- und/oder Schleimabgang?
  3. Juckreiz?
  4. Stuhlanamnese (Konsistenz, Farbe, Frequenz), Fremdkörpergefühl? Prolaps? Obstipation? Inkontinenz? Einlagen notwendig?
  5. Vorgeschichte (Operationen, Geburten, Koloskopien), Familienanamnese (Chronisch entzündliche Darmerkrankung [CED], Karzinome)
  6. Sexualanamnese, STD, anale Manipulation, Putzgewohnheiten (starkes Reiben, Feuchtetüchlein etc)

Untersuchung

  • Die proktologische Untersuchung erfolgt in der Hausarztpraxis am einfachsten in Seitenlage. Es bietet sich (in Hinblick auf die für den Patienten meist unangenehme Situation) an, den Patienten so zu lagern, dass er mit dem Gesicht zur Tür schaut, falls die Liege frei im Raum steht.
  • Bei der proktologischen Untersuchung werden Befunde nach dem Uhrzeit-System (oder auch nach der Steinschnittlage, kurz SSL) beschrieben. Das hat den Vorteil, dass Befunde bei Folgeuntersuchungen leichter verglichen/gefunden werden können.

GL Proktologie SSL

Vorgehen

Man beginnt mit der Inspektion, dabei geht es um

  • Hautbeurteilung, Marisken, Perianalvenenthrombosen, Hämorrhoiden, Fissuren, Fistelöffnungen, Stuhlverschmutzung, klaffender Sphinkter, Prolaps, Pori, Tumor, Abszesse.

Anschliessnd Palpation (wenn nicht durch Schmerzen verunmöglicht). Beurteilung von

  • Tumor, Prostata, Stuhl, Schmerzen, Sphinkter: Tonus, Grösse, Symmetrie, Lücke, Frischblut oder Altblut am Finger.

Der letzte Schritt ist ggfls. die Proktoskopie. Beurteilung der Mukosa

  • Hämorrhoiden, Proktitis, Condylomata, Blutungsstigmata im Analkanal.

 

2. Hämorrhoidalleiden (1–4)

Definition

  • Oberhalb der Linea dentata, unter der Rektummukosa, findet sich das Corpus cavernosum recti, das eine wichtige Funktion bei der Feinkontinenz hat
  • Hämorrhoiden können als solitäre, als multiple Knoten oder als zirkulärer Prolaps auftreten. Erst bei einer Hyperplasie des arteriovenösen Gefässkonglomerats spricht man von Hämorrhoiden ersten bis vierten Grades (I-IV).

GL Proktologie Hämorrhoidalleiden


Ätiologie

  • Weiterhin ungeklärt (13); beeinflussende Faktoren: Genetisch, ungünstiges Defäkationsverhalten (vor allem lange Sitzungen, sowohl Obstipation als auch Diarrhö, starkes Pressen, ev. ungünstiger anorektaler Winkel). Hämorrhoidalbeschwerden verschlimmern sich häufig während einer Schwangerschaft und gehen nach Entbindung meist spontan zurück.

Symptome und Differentialdiagnostik

  • Die möglichen Beschwerden sind unspezifisch und hängen nicht vom Schweregrad der Hämorrhoiden ab. Im Zusammenhang mit Hämorrhoidalleiden werden (hellrote) Blutung, analer Gewebeprolaps, Nässen, Stuhlschmieren und Juckreiz beklagt. Schmerzen sprechen eher gegen Hämorrhoiden.

Merke

  • Hämorrhoiden bluten, jedoch selten!
  • Aggravationsfaktoren sind Diarrhö, Obstipation, lange Sitzungsdauer, Schwangerschaft, Reise
  • Defäkationsschmerz weist eher auf eine Fissur hin
  • Eine schmerzhafte Schwellung am Anus ist meist eine Perianalvenenthrombose (s. u.)
  • Akuität (plötzlich aufgetretene schmerzhafte Schwellung –> DD: Perianalvenenthrombose)
  • Inkontinenz, Ausfluss (rezeptiver Analverkehr: DD STI Gonokokken-, Chlamydienproktitis; CED)
    –> s. a. mediX GL STI
  • Red flags
    Lebensalter für Malignom oder chronisch entzündliche Darmerkrankung
    Suspekte persönliche oder Familienanamnese
    Unverhältnismässigkeit von Symptomen und Befunden.

Verlauf

  • Oft wechseln sich symptomatische und asymptomatische Episoden spontan ab
  • Besserung z. B. nach Entbindung, Optimierung der Stuhlgewohnheiten (Behandlung von Diarrhö oder Obstipation).

Therapie

  • Richtet sich nach dem Leidensdruck und dem Grad des Hämorrhoidalleidens; persistieren/rezidivieren die Beschwerden, sollte eine Koloproktoskopie durchgeführt werden, um eine definitive Diagnostik nicht zu verschleppen und eine Neoplasie auszuschliessen
  • Wichtigste Massnahme ist die Stuhlregulation. Wichtig ist, zu langes Sitzen und Pressen mit Belastung des Beckenbodens und des Analkanals durch Obstipation oder Diarrhö zu vermeiden. Bei zu weichem/inkonsistentem Stuhl wird die Analregion durch dauernde Stuhlpassage, wiederholte Reinigungen, Feuchtigkeit irritiert. Deshalb Modulation der Stuhlkonsistenz und -frequenz in die jeweilige Richtung
    • Obstipation: Ballaststoffe, Trockenobst, Mucilar®, Movicol®
    • Diarrhö: Banane, Leinsamen, Mucilar®; DD wie Laktoseintoleranz, Fruktoseüberkonsum (Früchte, Säfte, Smothies, Zuckerersatzstoffe), chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED) bedenken.
  • Auch höhergradige Hämorrhoiden können a- oder oligosymptomatisch sein, so dass nicht auf eine interventionelle Behandlung gedrängt werden muss.

Grad I

  • Wichtigste Massnahme = obige Basismassnahmen
  • Kurzfristig können gelegentlich Suppositorien entzündliche Symptome lindern
    • Scheriproct®, Faktu® (auch in der Schwangerschaft nicht kontraindiziert).
  • Für perorale Venentonika wie Daflon® ist die Wirksamkeitsnachweis nicht überzeugend (1, 4).

Grad II

  • Gummibandligatur: Therapie der Wahl, falls konservative Massnahmen nicht ausreichen und Hämorrhoiden nicht zirkulär; längerfristig chirurgischen Verfahren unterlegen!
    • Nur 1–2 Ligaturen pro Sitzung applizieren (um im Falle von Komplikationen die Übersicht nicht zu verlieren)
    • Wiederholung nach 3–4 Wochen
    • Erfolgsrate nach 3–5 Jahren: 70–80 %, Rezidivrate: < 25 %
    • UEW: Gelegentlich Schmerzen, Blutungen in den ersten Tagen nach der Behandlung
    • Kontraindikationen: M. Crohn, HIV, OAK.
  • Sklerosierung (der Hämorrhoiden oder zuführender Hämorrhoidalarterien), Infrarotkoagulation sind alternative Verfahren
  • Chirurgische Hämorrhoidektomie kommt meist erst ab Stadium III zum Einsatz.

Grad III

  • Chirurgische Therapieverfahren zeigen beste Langzeiterfolge und akzeptable Komplikationsraten 5–10 %
    • Segmentaler Hämorrhoidalvorfall: Hämorrhoidektomie (nach Milligan-Morgan und Ferguson)
    • Zirkuläre Hämorrhoiden: Stapler-Hämorrhoidopexie (nach Longo). Vorteil: Hinterlässt keine Wunde im Anoderm, weniger Schmerzen. Nachteil: Stenosen, Drang und Entleerungsstörungen, Rezidive bei 1–3 % (7). Aber auch resezierende Verfahren möglich.

Grad IV

  • Bei akuter Thrombosierung oder Inkarzeration (beides sehr selten!) reicht meist lokale konservative Therapie mit Antiphlogistika, kühlenden Massnahmen und Analgetika (komplette Restitutio i. d. R. innert weniger Wochen)
  • Ist die inkarzerierte Hämorrhoide sehr schmerzhaft, kann unverzüglich in Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose reponiert werden. Die operative Entfernung des Hämorrhoidalgewebes sollte im akuten Zustand möglichst vermieden werden
  • DD: Ödematöse Mariske, partieller Schleimhautprolaps, Perianalvenenthrombose.

Hämorrhoidalleiden während der Schwangerschaft

  • Kann teilweise sehr ausgeprägt sein
  • Eine chirurgische Behandlung ist jedoch kontraindiziert und der spontane Verlauf nach der Entbindung sollte unbedingt abgewartet werden, da die meisten Beschwerden wieder verschwinden!
  • Die Patientinnen müssen entsprechend aufgeklärt und lindernde Massnahmen getroffen werden (Suppositorien, Stuhlregulation, kühlende Massnahmen s. o.).

GL Proktologie Abb 1

Abb. 1: Dorsaler Mukosaprolaps

 

 

3. Marisken

Ätiologie/Bedeutung

  • Perianale Hautfalten unterschiedlicher Grössenausprägung; Ätiologie unklar, peripartal, entzündlichen Prozessen (z. B. chronische Fissur: Wächtermariske) oder nach Rückbildung einer Analvenenthrombose 
  • Keine krankhafte Bedeutung, können bei grösserer Ausprägung bei der Analhygiene störend sein und manche Patienten „kosmetisch" stören
  • Bei normalem Stuhlverhalten meist asymptomatisch, gelegentlich irritiert (mechanisch/chemisch) durch häufige und/oder intensive Reinigung oder Kontaktallergie
    z. B. durch feuchtes Toilettenpapier.

Therapie

  • Bei entsprechender Grösse und Beschwerden chirurgische Resektion möglich.

GL Proktologie Abb 2

Abb. 2: Marisken

 

 

4. Perianalvenenthrombose

Ätiologie

  • Entsteht durch einen Thrombus in den äusseren perianalen Venen (Pl. haemorrhoidales ext.); neben dem spontanen Auftreten werden „Stressoren“ wie langes Sitzen, Alkoholkonsum, Pressen, Diarrhö- und Obstipationsepisoden, Schwangerschaft vermutet
  • Der frühere Begriff „äussere Hämorrhoiden“ ist nicht mehr gebräuchlich.

Symptome

  • Unvermittelt auftretendes teils sehr starkes Druck- und Spannungsgefühl und Bildung eines schmerzhaften bläulich-lividen Knotens am Analrand; eine frische Thrombose blutet nicht, ausser im Falle einer (meist nur in den ca. ersten zehn Tagen auftretenden) spontanen Perforation.

Verlauf

  • Meist komplette Rückbildung ohne Therapie innert Tagen bis Wochen.

Therapie

  • Bei livider, prallelastischer Schwellung in den ersten 1–2 d ist nach radiärer Lokalanästhesie eine Entlastung durch Stichinzision möglich, aber kein Muss. Der Vorteil kann eine raschere Schmerzlinderung sein, um den Preis des Schmerzes beim Eingriff und möglicher Komplikationen (fehlende Entlastung bei gekammerter Thrombose, Blutungsrisiko). In den allermeisten Fällen (u. a. da die Patienten erst nach einigen Tagen vorstellig werden und die Spontanprognose gut ist) reicht eine konservative Therapie: Systemische NSAR (für wenige Tage), ggfls. Xylocain® Gel 2 %, ev. Sulgan®/Bepanthen® Salbe, kühlende Massnahmen und Stuhlmodulation.

GL Proktologie Abb 3–5

Abb 3–5: Perianalthrombose, Perforierte Perianalthrombose, Analthrombose/Mariskenödem (von links nach rechts)

 

 

5. Analfissur (8–11)

Ätiologie

  • Weitgehend unklar; Obstipation oder auch Diarrhö mit „explosionsartiger“ Öffnung des Analkanals können zu einem Einreissen der Haut im Analkanal führen
  • Die Läsion liegt häufiger bei 6 Uhr in SSL, als bei 12 Uhr in SSL (andernfalls an CED und STD denken: atypische Fissur)
  • Bei chronischer Fissur entsteht dorsal eine charakteristische „Wächter“-Mariske/Vorpostenfalte.

Symptome

  • Akute Fissur: Teilweise sehr heftiger, schneidender Schmerz bei Defäkation und darüber hinaus anhaltend; Blutung. Die Anamnese ist typisch und daher wegweisend!
  • Chronische Fissur: Oft symptomarm, rezidivierende Blutungen.

Diagnose

  • Inspektion, vorsichtiges beidhändiges Spreizen der Nates; praktisch immer bei 6 Uhr in SSL oft in der Tiefe gelegen und nur bei guter Beleuchtung zu sehen, aber auch bei 12 Uhr in SSL untersuchen
  • Akute Fissur: Hochdolent, digitale Untersuchung dann meist nicht möglich, Proktoskopie erst recht nicht oder in Kurznarkose. Bei starken Schmerzen und typischer Anamnese kann initial auf eine digitale Untersuchung und Proktoskopie verzichtet werden
  • Chronische Fissur: Blasse, teilweise erstaunlich breite Narbe, oft mit Vorpostenfalte (sogenannte Wächtermariske), kann völlig indolent sein.

Therapie

  • Schmerztherapie (z. B. NSAR in der Akutphase, topisches Xylocain® Gel vor sonst schmerzhafter Defäkation)
  • Stuhlregulation (Ziel: „Weiche Konsistenz, Frequenz nicht zu oft und nicht zu selten“)
  • Topische Therapie: Behandlungsdauer oft einige Wochen
    • Rectogesic®: 3 x/d auf Fissur und Sphinkter; Vorteil: In meisten Apotheken vorrätig; Nachteil: Nitro-bedingte Kopfschmerzen kurz nach Anwendung
    • Magistralrezeptur mit Nifedipin 0,5 % in Excipial Creme und 1 % Lidocain (CHF 33.65). Macht keine Kopfschmerzen. Häufig nicht vorrätig und muss erst fabriziert werden.
  • Bei Therapieversagen (fehlende Besserung nach > 4–8 Wochen) Vorstellung beim Proktochirurgen zur Fissurexzision
  • Die Therapie mit Botox ist umstritten und in Studien bezüglich Erfolgsraten verglichen mit der konservativen Therapie nicht eindeutig überlegen. Häufig fallen jedoch nach einer Botoxinjektion für den Patienten nicht unerhebliche Kosten an!

Prognose

  • Salbenbehandlung: Etwa jeder zweite erleidet Rezidive
  • Chirurgische Exzision: Erfolgsrate 80–90 % nach Fissurexzision
  • Der Erfolg der konservativen Therapie hängt von einer konsequenten Stuhlregulation ab.

Differentialdiagnose

  • Von Schmerzintensität her, z. B. perianaler Abszess, selten Malignome. Ulcus durum (schmerzlos) und Ulcus molle (schmerzhaft) oder andere STI (–> s. a. mediX GL STI)

GL Proktologie Abb 6 

 Abb. 6: Analfissur

 

 

6. Perianaler Abszess (12)

Ätiologie

  • Der Abszess ist die Akutform und die Fistel die chronische Verlaufsform einer von den Proktodealdrüsen ausgehenden Entzündung. Weniger häufig, aber klinisch zunächst nicht auszuschliessen, kann ein M. Crohn die Ursache sein. Daher muss bei häufigen Rezidiven eine erweiterte Diagnostik in Erwägung gezogen werden.

Symptome

  • Innert Tagen auftretende perianale Schmerzen, oft auch perianale Rötung und Überwärmung.

Abklärung

  • Anamnese: Kann rezidivieren, d. h. „früher schon mal gehabt“, anamnestische Anhaltspunkte für M. Crohn oder Fistel?
  • Untersuchung: Oft Blickdiagnose (Rötung, Schwellung, Schmerz), aber bei frühen Stadien oder intersphinktärer Lage teilweise noch unauffälliger Inspektionsbefund; deshalb „dran denken“, ggfls. kurzfristige Reevaluation
  • Sonographie (perianal, anale Endosonographie), Becken-MRI (insb. bei Verdacht auf komplizierte Fistelverläufe).

Differentialdiagnosen

  • Acne inversa, perianale Haarfollikelentzündungen (ohne Verbindung zum Analkanal), chronisch entzündliche Darmerkrankung Typ M. Crohn, infizierter Sinus pilonidalis, Epidermoid-Zysten.

Therapie

  • Analabszesse bedürfen immer einer chirurgischen Entlastung („ubi pus, ibi evacua“).

 

 

7. Analekzem (1, 8)

Symptome

  • Je nach Akuität Erythem, Papeln, Seropapeln, Bläschen, Erosionen, Lichenifikation.

Ursachen

  • Irritativ-toxisch: Durch Störung der Feinkontinenz, häufige und intensive Reinigung (bei hoher Stuhlfrequenz), bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung, proktologischer Erkrankung (Hämorrhoiden, Fisteln, Feigwarzen, Marisken), übertriebener Analhygiene (Feuchtetüchlein)
  • Infektiös: Windelekzem, Staphylokokken, Streptokokken, Candida, Oxyuren
  • Allergisch: Bis zur Sensibilisierung können Jahre vergehen, dann kann ein Kontaktekzem auf Inhaltsstoffe von Hautpflegemitteln, Intimsprays, Proktologika sowie feuchtem oder trockenem Toilettenpapier auftreten
  • Andere dermatologische Erkrankungen
    • Psoriasis in der Rima ani
    • Atopische Dermatitis, Condylomata accuminata, Lichen ruber, M. Paget, M. Bowen, Infektionen (Chlamydien, Gonokokken –> s. a. mediX GL STI)
    • Neoplasien des Anoderms, insb. Analkarzinom (z. B. bei MSM mit HPV-Infekt, HIV)
    • Vitiligo.
       

Diagnostik

  • Anamnese (Stuhlfrequenz, -konsistenz, Inkontinenz, Externa?), Untersuchung
  • Mikrobiologie
    • Hautabstrich bei längerem Verlauf: DD Standortflora oder Infekt? (Staph/Strept; Candida; STD)
    • Bei V. a. Oxyuren (Kontakt mit Kleinkindern) morgendliches Abklatschpräparat (durchsichtiger Klebestreifen auf Objektträger (Cave: falsch-negativ).
  • Bei Persistenz auch an histologische Abklärung (Punch-Biopsie) denken.

Therapie

  • Optimierung der Analhygiene
    • Normalisierung der Stuhlfrequenz und -konsistenz
    • Reinigung mit weichem WC-Papier ohne Zusatzstoffe
    • Besser noch nur mit Wasser (Dusche, Dusch-WC)
    • Externa meiden (z. B. in Feuchttüchern, Seifen, Salben).
  • Behandlung der Grundkrankheit (s. o.)
    • Ohne Infekt: Ggfls. für wenige Tage topische Steroide (Advantan®, Alfacorton®)
    • Mit Infekt: Je nach Erregergruppe (Fucidin/Fucicort®, Mycolog® Creme).
  • Später Excipial®/Optiderm®/Bepanthen® und im Bedarfsfall Cold Cream zur Linderung des Juckreizes (siehe auch unten Pruritus ani)
  • Zum Oberflächenschutz bei Diarrhö: Bepanthen® Salbe, Zinkpaste (Oxyplastin® Wundpaste, Wundschutzcreme von Lavera oder Cavilon®).

GL Proktologie Abb 7

Abb. 7: Perianalekzem

 

 

8. Pruritus ani

Symptome

  • Perianaler Juckreiz.

Ursache

  • Reaktionsform „gestresster“ perianaler Haut auf zahlreiche Einflüsse: Zu häufiger Stuhlgang, zu viel Reinigung (irritiativ oder Austrocknung), zu viel Externa
  • Analekzem mit seinen o. g. Ursachen.

Therapie

  • Ggfls. ursächliche Behandlung bei Infekt (antiinfektiös), Stuhlkonsistenz, -frequenz (Leinsamen, Antidiarrhoika, Stuhlmodulation), Feinkontinenzstörung (Hämorrhoidenbehandlung)
  • Information für Patienten: „Weniger ist oft mehr“
    • Wichtig: KEIN Papier an den Po!
    • Dusch WC (Kosten ca. CHF 1‘000.–) oder Dusch-Deckel (Kaltwasseranschluss ca. CHF 100.–, Warmwasser ca. CHF 300.–) installieren
    • Stuhltraining, damit Patient*in immer zu Hause stuhlen kann (wenn man nicht unterwegs waschen will)
    • Trockentupfen mit Baumwolltuch (oder vorsichtig und nicht zu heiss Föhn verwenden), nicht reiben
    • Bei Juckreiz nicht kratzen – stattdessen kräftig drücken oder schlagen (Schmerz unterdrückt Juckeiz)
    • Für die Nacht allenfalls Baumwollhandschuhe anziehen, damit man nicht kratzen kann; kurze Nägel schneiden
    • Kühlen mit Coldpacks mit Stoffbezug.

Eine Patientenbroschüre zur Analhygiene ist bei der Magen-Darm-Liga erhältlich.

Wenn o. g. Massnahmen nicht helfen

  • Dermovate® Salbe für 3 Wochen; bei ausbleibender Wirkung –> Gabapentin.

Hinweis: Kein Capsaicin wie an anderen Lokalisationen, da es anal zu unangenehm ist.

 

 

9. Proctalgia fugax

Symptome

  • Plötzlich auftretende, heftige, ziehende oder stechend-schneidende Schmerzen im Bereich des Anus. Die Schmerzattacke dauert oft nur einen kurzen Moment und zwischen den einzelnen und seltenen Episoden sind die Patienten völlig beschwerdefrei. Frauen sind häufiger betroffen als Männer
  • Die Proctalgia fugax kehrt in unregelmässigen Intervallen von Wochen oder Monaten wieder. Tritt häufig nachts auf.

Ätiopathogenese

  • Unklar; als Auslöser werden Spasmen der Sphinkter, der Muskulatur des Beckenbodens oder im Bereich des rektosigmoidalen Übergangs diskutiert. Psychische Stressfaktoren.

Diagnose

  • Ergibt sich aus der Anamnese
  • DD ausschliessen (Hämorrhoidalleiden, CED, Abszess, Kokzygodynie?).

Therapie

  • Information und Reassurance des Patienten
  • Aufgrund der Kürze und der geringen Frequenz der Episoden kommen medikamentöse Therapieversuche (Nifedipin Salbe, Ventolin® Inhalation) jeweils „zu spät“.

 

10. Sexuell übertragbare Infektionen (STI)

Symptome

  • Analer Juckreiz, diffuses anales Unwohlsein, rektaler Ausfluss, Diarrhö, Warzen können Symptome von STI mit Manifestation im distalen Rektum, endoanal oder perianal sein
  • Rezeptiver Analverkehr, ungeschützter GV, Anzahl der Sexualpartner, sexuelle Präferenzen sind Hinweise auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine STI.

Diagnostik

  • „Daran denken“, explizite Anamnese, Risikoverhalten?
  • Inspektion: Condylomata accuminata?
  • Abstrich für PCR auf Chlamydien und Gonokokken, bei Nachweis eines Ulkus (DD: Fissur) auch auf Lues, Haemophilus ducreyi, bei Bläschen z. B. auf Herpes
  • Falls eine STI nachgewiesen wird, müssen auch die anderen STI gesucht, ausgeschlossen oder behandelt werden; Partnerbehandlung.


Therapie

–> siehe mediX GL STI

 

 

11. Bösartige Veränderungen

Ätiopathogenese

  • Man unterscheidet anale/perianale intraepitheliale Neoplasie (AIN; früher auch M. Bowen, bowenoide Papulose) und Analkarzinom
  • Hohes Risiko bei Immunsuppression nach Transplantation oder Infektion mit HIV
  • Höchstes Risiko bei HIV positiven MSM und Frauen nach genitalen HPV Infektionen (CIN III/VIN III und genitalen Karzinome).

Symptom

  • Unspezifisch, deshalb werden initial 50 % der Analkarzinome als gutartige Haut- oder Schleimhautveränderungen fehldiagnostiziert.

Diagnostik

  • Daran denken, insbesondere bei Patienten aus den Risikokollektiven
  • Mittels Färbung, bioptisch, anales Mapping durch den Proktologen (= kleine Stanzbiopsien, welche meist zirkulär entnommen werden im „Uhrzeit-System“, SSL), bildgebend.

GL Proktologie Abb 8
Abb. 8: Anale Neoplasie

 

 

 

12. Literatur

  1. Aigner F. Haunold I, Salat A: Stadiengerechte Therapie des Hämorrhoidalleidens. Coloproctology 2013; 35(4): 281–94.
  2. Joos AK, Herold A: Hämorrhoidalleiden. Neue konservative und operative Therapien für ein weit verbreitetes Leiden. Coloproctology 2011; 33(2): 86–96.
  3. Acheson Austin G, Scholefield JH: Management of haemorrhoids, Brit med J 2008; 336: 380–383.
  4. Chautemsa R, et al.: Pathologie hémorroïdaire: approche diagnostique et thérapeutique à l’usage du praticien. Schweiz Med Forum 2005;5:869–874.
  5. Strittmatter B: Proktologie für Frauenärzte. GynakolGeburtsmedGynakolEndokrinol 2013; 9(3): 158–177.
  6. Herold A, et al.: Operationen beim Hämorrhoidalleiden Indikation und Technik. Chirurg 2012 · 83:1040–1048.
  7. Ommer A, et al.: Long-term results after stapled hemorrhoidopexy: a prospective study with a 6-year follow-up. Dis Colon Rectum 2011; 54(5): 601–8.
  8. Geyer M, Bimmler D: Wenn es beim Stuhlgang schmerzt: Analfissur praktisch. Schweiz Med Forum 2013;13(38):752–755.
  9. Satish SC: Dyssynergic defecation & Biofeedback therapy. GastroenterolClin North Am. 2008;37(3):569–86.
  10. Nelson RL, et al.: Non surgical therapy for anal fissure. Cochrane Database Syst Rev 2012; 2: CD003431.
  11. Nelson R: Operative procedures for fissure in ano. Chochrane Database Syst Rev. Cochrane Database Syst Rev. 2002;1:CD002199.
  12. Ommer A, et al.: S3-Leitlinie: Analabszess. Coloproctology 2016;38:378–398.
  13. Sandler RS, Peery AF: Rethinking what we know about hemorrhoids. Clinical Gastroenterology and Hepatology 2019;17:8–15.

Danksagung
Wir danken Dr. med. Friederike Remmen für wertvolle Hinweise und Ergänzungen.

 

 

13. Impressum

Diese Guideline wurde im Juni 2023 aktualisiert.
© Verein mediX schweiz

Herausgeberin
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel

Redaktion
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel
Dr. med. Felix Huber
Dr. med. Uwe Beise
Dr. med. Maria Huber

Autoren
Dr. med. Markus Fliegner
Dr. med. Hella Scotland

Diese Guideline wurde ohne externe Einflussnahme unter Mitarbeit aller regionalen mediX Ärztenetze und assozierter Ärztenetze in der Schweiz erstellt. Es bestehen keine finanziellen oder inhaltlichen Abhängigkeiten gegenüber der Industrie oder anderen Einrichtungen oder Interessengruppen.

mediX Guidelines enthalten therapeutische Handlungsempfehlungen für bestimmte Beschwerdebilder oder Behandlungssituationen. Jeder Patient muss jedoch nach seinen individuellen Gegebenheiten behandelt werden.

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