Factsheet

Orthopädische Einlagen

Erstellt von: Georg Klammer Zuletzt revidiert: 07/2023 Letzte Änderung: 07/2023

Wirken orthopädische Einlagen?

  • Einlagen werden für eine Vielzahl von Fussbeschwerden eingesetzt – um Schmerzen zu reduzieren, Fehlstellungen zu korrigieren oder die Stabilität zu verbessern
  • Verschiedene Studien zeigen eine Beschwerdebesserung, anderseits mangelt es immer noch an einer klaren Evidenz für deren Nutzen; das Wissen darüber, wie Einlagen überhaupt funktionieren, ist begrenzt
  • Erschwert werden Untersuchungen durch die Unterschiedlichkeit der Probanden, deren Aktivitätsansprüchen, der Heterogenität einzelner Pathologien und Einsatzmuster der Einlagen. Den Unterschieden kann eine individuell angepasste Einlage besser gerecht werden
  • Die praktische Erfahrung zeigt, dass orthopädische Einlagen bei vielen Patienten wirken – und die immer besseren Messmethoden unter statisch und dynamischen Bedingungen scheinen geeignet, eine bessere wissenschaftliche Fundierung zu ermöglichen.

 


Nutzen einer Ganganalyse

Mit der Analyse von Schrittlänge, -frequenz, Ganglinie, Fussstellung und -Belastung, sowie vieler weiterer Parameter können Bewegungsmuster erkannt werden. Daraus kann die Art der Unterstützung, die eine Einlage bringen soll, abgeleitet werden.
Viele Orthopädietechniker instruieren Übungen (z. B. Laufgesund, Heusser, Swissbiomechanics). Für Patienten, die nicht ohnehin eine Physiotherapie benötigen, kann dies von Nutzen sein.

 



Werkstoffe und Anfertigung

  • Je nach Form und Härte des verwendeten Materials haben Einlagen polsternd, bettend, stützend oder korrigierenden Einfluss.
    Wie ein Fuss zu versorgen ist, bedarf Informationen über das Relief des Fusses, aber auch über dessen Flexibilität – unter statisch und dynamischen Bedingungen. So kann beispielsweise bei einer flexiblen Plattfussdeformität eine Korrektur erreicht werden; bei der rigiden Deformität wird ein Korrekturversuch aber an Druckstellen scheitern und nur eine bettende Einlage Nutzen bringen
  • Manche Einlagen sollen über die Stimulation oberflächensensibler- und propriozeptiver Afferenzen efferente Signal erzeugen, welche die Stellung des Fusses positiv beeinflussen („sensomotorische, somatosensorische, afferenzstimulierende oder neurologische Einlagen“).
    Beachte: Allgemeingültige Definitionen fehlen und Studien zu dieser Art Einlage sind rar, so dass die Indikation nicht aufgrund wissenschaftlicher Evidenz gestellt werden kann.

 


Spezifische Indikationen

Beinlängendifferenz

  • Beinlängendifferenzen/Beckenschiefstand unter 2 cm sind meist eine Kombination aus anatomischer Beinlängendifferenz und Beckenverwringung. Epidemiologische Studien weisen bei 1/3 der Bevölkerung Beinlängenunterschiede von > 1 cm nach (4 % > 1,5 cm). Es wird empfohlen, Beinlängenunterschiede von > 1 cm auszugleichen (respektive auf < 1cm zu korrigieren). Korrekturen anatomischer Beinlängendifferenzen um bis zu 1 cm können mit Einlagen ausgeglichen werden, darüber ist eine Schuhanpassung notwendig.


Mediale Gonarthrose

  • In der Regel wird eine laterale Schuhrand-Erhöhung propagiert, ggfls. mit dämpfenden Elementen. Serien mit kürzeren Beobachtungszeiten konnten einen schmerzlindernden Effekt zeigen, in Studien mit einem Verlauf bis 2 Jahren ist die Verbesserung aber nicht signifikant. Die Progredienz der Arthrose wird nicht beeinflusst (geringer Wirksamkeitsnachweis).


Femoropatelläres Schmerzsyndrom

  • Vor allem bei Knick-Senkfussdeformitäten haben Einlagen additiven Behandlungseffekt neben Training und Kräftigung.

Plantarfasciitis

  • Die Fasciitis plantaris ist eine meist innert 6–12 Monaten selbstlimitierende Erkrankung. Wichtigste Massnahme ist eine exzentrische Dehnungstherapie (siehe mediX Patienteninformation). Die Kombination mit einer Einlage nach Mass zeigt in der Frühphase keinen Zusatznutzen. Bei länger dauerndem Krankheitsverlauf zeigen aber zumindest ältere Studien einen positiven Effekt der Einlagenversorgung nach Mass. Da die Therapie aber meist mit multiplen Therapiemodalitäten erfolgt, ist auch mit grossen randomisierten Studien der Einzeleffekt von Einlagen schwer zu bestimmen (Wirksamkeit möglich)
  • Bei Patienten mit geringen Fussdeformitäten und sehr kurzer Anamnese kann eine vorkonfektionierte Silikonbettung (z. B. ViscoHeel) eine sinnvolle und kostengünstige erste Option sein.


Fussdeformitäten

  • Nach Expertenkonsens werden Einlagen zur Behandlung symptomatischer Hohl- und Knick-Senkfüsse empfohlen, auch hier ist die wissenschaftliche Datenlage aber eher dünn. Es gibt keine klaren Hinweise, dass asymptomatische – auch kindliche – Knicksenkfussdeformitäten von einer Einlagenversorgung profitieren.


Hallux valgus

  • Einlagen können Beschwerden vorübergehend lindern, haben aber keinen Effekt auf die Prognose der Deformität. Vor allem wenn eine OP herausgezögert werden soll, ist eine Einlage zur Symptombehandlung sinnvoll.

Hallux rigidus

  • Auch beim Hallux rigidus ist die wichtigste Massnahme der angepasste Schuh mit steifer Sohle und Abrollhilfe. Eine Einlage mit Tieferlegung des Grosszehenballens kann ein funktionelles Streckdefizit verbessern.


Spreizfuss: Metatarsalgie und Morton-Neurom

  • Drucke unter dem Vorfussballen können mit massgefertigen Einlagen reduziert werden. Die Empfehlung zur Versorgung stützt sich aber nur auf Fallserien. Neben der Einlage kann das richtige Schuhwerk mit stabiler Sohle und Abrollhilfe den Vorfuss erheblich entlasten.


Kleinzehendeformitäten

  • Flexible Deformitäten können mittels Einlage besser gebettet werden, bei rigiden Deformitäten ist eher eine Schuhmodifikation mit weiter Vorfussbox oder ein Druckschutz aus Silikon angezeigt.


Achillessehnen-Tendinopathie

  • Fehlstellungen des Rückfusses, v. a. auch eine Rückfussinstabilität mit Einknicken (Hyperpronation), sind für die Mechanik der Achillessehen ungünstig. Dennoch ist der Evidenzgrad für Einlagen gering und geht nicht über Expertenmeinung hinaus. Dehnungsübungen sind bei Achillessehnen-Tendinopathie wichtiger.

Diabetisches Fusssyndrom

  • Die empfundene Lebensqualität eines Diabetikers korreliert eng mit der empfundenen Fussgesundheit. Deswegen sind regelmässige Kontrollen der Füsse durch den Arzt oder Podologen Bestandteil der Betreuung von Diabetikern (–> mediX Diabetes Kontrollblatt)
  • Die Evidenz zeigt für Einlagen bei diesen Patienten einen Stellenwert in der Primär- und Sekundärprophylaxe von Ulcera. Die Ulzerationsraten mit bettend-polsternden Einlagen werden erheblich reduziert. Diabetiker mit Fussdeformität bedürfen einer massgefertigten Einlage, die regelmässig kontrolliert wird. Nur in frühen Stadien ohne Deformität oder Polyneuropathie kann eine kostengünstigere, vorkonfektionierte Einlage in Frage kommen (Wirksamkeit wahrscheinlich).


Rheumatoide Arthritis

  • Rheumatische Füsse umschliessen ein sehr heterogenes Patientengut mit Schmerzen an unterschiedlichen Lokalisationen der Füsse, unterschiedlicher Deformität in Schweregrad und Rigidität und Ausmass der Arthrose. Dies erschwert die Durchführung aussagekräftiger Studien
  • Im Expertenkonsens wird aber in der Regel zur Einlagenversorgung geraten.


Rückenschmerzen

  • Es gibt wissenschaftliche Hinweise, dass Einlagen, welche Spitzendrucke mindern und bei Knicksenkfüssen antipronatorisch wirken, Rückenschmerzen lindern können.

 

Schwächen Einlagen die Muskulatur?

  • Es fehlt wissenschaftliche Evidenz, dass die Unterstützung des Fusses mit einer Einlage zu einer Schwächung der Muskulatur führt. Vielmehr gilt die Aktivierung von Muskelgruppen als wesentlicher Faktor in der Funktionsweise von Einlagen, während überlastete Muskelgruppen geschont werden
  • Bei kurzer Anamnese und weniger ausgeprägter Deformität kann dabei eine vorkonfektionierte Einlage sinnvoll sein („einfache Metatarsalgie“). Bei ausgeprägteren Deformitäten (z. B. Hyperkeratosegrad, Instabilität der medialen Säule, Instabilität plantare Platte, Diabetes, PVAK) ist aber eine Einlage nach Mass zu empfehlen.

 

 

Eintragen von Einlagen

  • Das Eintragen von Einlagen muss stundenweise erfolgen. Die veränderte Muskelbeanspruchung zeigt sich oft an Muskel- und Gelenksbeschwerden in den ersten ca. 3 Wochen. Bei anhaltenden Beschwerden, dem Auftreten von Druckstellen oder Blasen muss der Orthopädietechniker konsultiert werden.

 

Kostenübernahme Versicherungen

KVG

  • Einlagen sind auch mit ärztlicher Verordnung keine Pflichtleistung der Krankenversicherungen.
    Ausnahme postoperativ: Unter Umständen übernimmt die Krankenkasse die Einlageversorgung bei voroperierten Patienten. Die Regelung ist noch relativ neu und die Handhabung noch nicht etabliert. Patienten sollten deshalb zunächst bei ihrer Krankenkasse anfragen – am besten auf Basis der Offerte des Orthopädietechnikers. Rückfragen der Versicherung richten sich dann an den Aussteller der Verordnung (postoperativ ist das oft ein Fusschirurg)
  • Zusatzversicherungen übernehmen in der Regel einen periodischen Kostenanteil bei Vorliegen einer ärztlichen Verordnung (seitens Patienten mit seiner Versicherung resp. Police zu prüfen)
  • In Härtefällen kann seitens Patienten ein Antrag zur Kostenübernahme durch die Sozialhilfe erfolgen.

UVG

  • Ärztlich verordnete Hilfsmittel zur Akut- oder Nachbehandlung eines Traumas werden vergütet.

IV/AHV

  • IV-Versicherte können einen Antrag zur Kostenübernahme stellen, wenn die Einlagen für ihre Tätigkeit oder Fortbewegung nötig ist
  • Die AHV übernimmt Einlagen nur, wenn sie in Kombination mit einem orthopädischen Serien- oder Massschuh, ggfls. auch mit einer orthopädischen Schuhzurichtung eingesetzt werden müssen.

 

Literatur (Auswahl)

  1. Keilholz DC: Zur Evidenzlage der orthopädischen Einlagenversorgung. Doktorarbeit Medizinische Fakultät Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. 2021.
  2. Lewis RD, Wright P, McCarthy LH: Orthotics compared to conventional Therapy and other non-surgical Treatments for Plantar Fasciitis. J Okla State Med Assoc. 2015. 108(22): 596-8.
  3. Mundermann A, Wakeling JM, Nigg BM, Humble RN, Stefanyshyn DJ: Foot orthoses affect frequency components of muscle activity in the lower extremity. Gait Posture 2006. 23(3): 295–302.
  4. Murley GS, Landorf KB, Menz HB, Bird AR: Effect of foot posture, foot orthoses and footwear on lower limb muscle activity during walking and running: a systematic review. Gait Posture. 2009. 29(2): 172-87.
  5. Vogt B, Gosheger G, Wirth T, Horn J, Rödl R: Beinlängendifferenz – Therapieindikation und -Strategie. Deutsches Ärzteblatt. 117/24). 2020.
  6. Zhai JN, Qui YS, Wang J: Effects of orthotic insoles on adults with flexible flatfoot under different walking conditions. J Phys Ther Sci. 2016. 28(11): 3078-83.

Ausführliche Literatur beim Autor oder der Redaktion.

 

Impressum

Dieses Factsheet wurde im Juli 2023 erstellt.
© Verein mediX schweiz

Herausgeberin
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel

Redaktion
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel
Dr. med. Felix Huber
Dr. med. Uwe Beise 
Dr. med. Maria Huber

Autor
Dr. med. Georg Klammer

Facharzt FMH für orthopädische Chirurgie
und Traumatologie des Bewegungsapparates

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