Factsheet

Husten

Erstellt von: Jovana Radulovic, Corinne Chmiel Zuletzt revidiert: 06/2023 Letzte Änderung: 06/2023

Einteilung

  • Akut: bis 3 Wochen (Mehrzahl viraler Infekt), selbstlimitierend
  • Subakut: 3–8 Wochen
  • Chronisch: > 8 Wochen.

 

Anamnese

  • Dauer, nächtliches Husten, Trigger/Auslöser, Auswurf
  • Medikamente (besonders ACE-Hemmer, siehe Tabelle 1)
  • Zusatzfaktoren
    Tabakrauchen, berufliche Noxen, Tierkontakte, Infekte des näheren Umfelds, Tuberkulose-Risikogruppe, psychische Situation z. B. Tics, Tumorangst
  • Vorangegangener (viraler) Atemwegsinfekt
  • Begleitsymptome
    Neu aufgetretene (Belastungs-)Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose, Stridor, Fieber, ungewollter Gewichtsverlust (Red flags –> Tabelle 2)
  • Vorerkrankungen
    Chronische Bronchitis/COPD, Chronische Rhinitis/Sinusitis mit ggfls. Nasenpolypen, Asthma, bekannte Allergie/Atopie (saisonal oder ganzjährig), kardiale Vorerkrankungen, Thrombophilie, Operation mit Intubation.

Tabelle 1: Ausgewählte Substanzen als Verursacher eines medikamenteninduzierten chronischen Hustens

 

Red Flags

Tabelle 2Red Flags bei Patienten mit chronischem Husten

 

Ursachen

Die häufigsten Ursachen von Husten in der Hausarztpraxis bei fehlender Raucheranamnese oder ACE-Hemmer-Therapie sind: Post nasal drip, (silent) Reflux und Asthma (–> Algorithmus, s. u.).

  • ACE-Hemmer (siehe auch Tabelle 1)
    • Pathomechanismus: Abbau von Kininen, v. a. Bradykinin inhibiert
    • Klinische Präsentation: Beginn 3 Wochen bis zu 1 Jahr nach der ersten und dann regulären Einnahme
    • Massnahmen: Absetzversuch, Angiotensin-II-Rezeptorantagonist oder alternativer Blutdrucksenker.
  • Rauchen/COPD –> mediX GL COPD
    • Alleiniger Raucher-Husten (nicht COPD) verschwindet, bzw. bessert sich in > 90 % der Fälle, bei 50 % im ersten Monat nach dem Sistieren.
  • Postnasal Drip Syndrom (PND) / Upper Airway Cough Syndrom (UACS)
    • Pathomechanismus: Reizung der Larynx/Pharynx Rezeptoren, Sinusitis (39 %), perenniale Rhinitis (23–37 %), postinfektiöse/vasomotorische Rhinitis (6 %/2 %)
    • Klinische Präsentation: Husten, Räusperzwang, Rhinorrhoe, „Gefühl etwas läuft den Rachen hinab/Schleimstrasse“, Pflastersteinrelief Naso-/Oropharynx.
  • Asthma und bronchiale Hyperreagibilität: –> s. a. mediX GL Asthma bronchiale
    • „Hustenvariante“ in 30–60 %
    • Kann in jedem Alter auftreten
    • CAVE: Allergische Rhinitis – Asthma („The United Airways“): 60–80 % der Pat. mit Asthma haben eine Rhinitis, 20–40 % mit Rhinitis haben Asthmasymptome
    • Husten ist bei Asthma in 57 % der Fälle das einzige klinische Symptom!
  • Gastrooesophagealer Reflux (GERD) –> s. a. mediX GL GERD (work in progress)
    • Husten wird durch mehrere Mechanismen ausgelöst: Irritation durch Säure/Pepsin von Endigungen des Vagus, säuresensible Rezeptoren im distalen Oesophagus, tracheobronchial und laryngeal oesophago-bronchialer Hustenreflex
    • Husten ist in ca. 40 % alleiniges Symptom!
    • Als Hilfestellung geeignet: Hull Cough-Fragebogen.
  • Nicht-asthmatische eosinophile Bronchitis
    • Prävalenz: 10–30 % Patienten mit chronischem Husten, die einem Spezialisten zugewiesen sind
    • Unklare Prävalenz in der Hausarztpraxis, da häufig beim chronischen Husten mit der Arbeitshypothese „Asthma“ empirisch eine Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden versucht wird, was gleichzeitig eine adäquate Therapie der eosinophilen Bronchitis darstellt
    • Klinische Präsentation: Chronischer Husten ohne Anzeichen für dynamische Obstruktion der Atemwege, Metacholintest normal, Eosinophile im induzierten Sputum von mehr als 3 % nicht-squamöser Zellen –> Abklärung mittels induziertem Sputum nur in pneumologischen Zentren.

In der Praxis muss die Diagnose nicht gesichert werden. Bei Verdacht mit probatorischer Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden beginnen!

(Sehr) seltene Ursachen bei Erwachsenen (Auswahl)

  • Bronchialkarzinom
  • Obstruktive Schlafapnoe
  • Bronchiolitis
  • Chronisch interstitielle Lungenkrankheit
  • Sarkoidose
  • Psychogener Husten
  • Persistierende Pneumonie.

 

Diagnostik/Abklärungsalgorithmus

Die Diagnose muss vor einer probatorischen Therapie ausser bei Red flags nicht zwingend gesichert werden. Das Ansprechen auf eine probatorische Therapie kann auch diagnostisch sein (siehe auch Abklärungsalgorithmus)

Bei Rauchern und Patienten unter ACE-Hemmern zunächst Rauchstopp bzw. Medikament absetzen, bevor ggfls. ein Rö-Thorax erfolgt.
Bei normalem Thorax Röntgen die 3 häufigsten Ursachen behandeln, und zwar gleichzeitig und ausreichend lange. Das kann bis zu 3 Monate dauern. Die Patient*innen müssen entsprechend aufgeklärt und zur konsequenten Therapie angehalten werden.
Erst wenn diese Behandlung fehlschlägt, ist eine extensive Diagnostik angezeigt.

 

Basis-Diagnostik

Nach 4 Wochen Stopp ACE-Hemmer und Rauchen 

  • Labor: Butbild/CRP (Eosinophilie?)
  • Röntgen-Thorax: Wenn unauffällig hoher negativer Vorhersagewert
  • Lungenfunktion: Einfach und informativ, braucht in der Regel keine Bodyplethysmographie

Beachte

  • Asthma-Diagnose ist manchmal nur anhand eines positiven Methacholintests zu stellen
  • „Silent“ Reflux ist häufig
  • Simultanes Vorkommen mehrerer Ursachen (70–80 % eine Ursache, aber ¼ d. F. multifaktoriell).

Weiterführende Diagnostik

  • Ist nur erforderlich falls probatorische, kombinierteTherapie nicht anspricht oder bei anhaltender diagnostischer Unsicherheit
  • Bei Eosinophilie oder V. a. chronische Rhinitis mit post nasal drip
    • Prick-Test
    • Allenfalls Nasale Endoskopie beim HNO erwägen.
  • Bei V. a. Asthma mit normaler Lungenfunktion
    • Methacholinprovokationstest (NPV 97 % [PPV ca. 60–80 %] d. h. kein Asthma bei negativem Test)
      –> s. a. mediX GL Asthma bronchiale.
  • Bei V. a. stillen Reflux ohne Ansprechen auf PPI in Standarddosis von 8–12 Wochen
    • Gastroskopie danach allenfalls pH-Metrie (Sensitivität von > 90 %)–> s. a. mediX GL GERD (work in progress).
  • Bei V. a. nicht-asthmatische eosinophile Bronchitis oder Eosinophilen im induzierten Sputum von mehr als 3 % nicht-squamöser Zellen
    • Entscheid inhalative Kortikosteroide ja/nein, da nicht-asthmatische eosinophile Bronchitis auf die erwähnte Therapie ansprechen sollte (inhalative Bronchodilatatoren sind nicht wirksam).
  • Bei unklarer Situation
    • Computertomographie und seltener Bronchoskopie; diagnostischer Wert bei unauffälligem Röntgen gering, jeweils ca. 3–4 %.

Überweisung zum Spezialisten

  • Wenn Hinweis auf seltene Ursachen besteht, z. B. tracheobronchialer Kollaps, durch Habitus nicht erklärte Restriktion in der Lungenfunktion, V. a. intertitielle Lungenerkrankungen, Bronchiektasien, Neoplasie, V. a. ösophageale Divertikel, Mukoviszidose etc.

 

Spezifische Therapie

Nach zugrundeliegender Erkrankung

PND

  • Allergene behandeln (Milben!)
  • Salzspülungen
  • Intranasale Steroide
  • Schleimhautkonstringierende Massnahmen nur akut bis Steriode wirken.

Asthma: Siehe mediX GL Asthma bronchiale

GERD: Siehe mediX GL GERD (work in progress)

(V. a.) nicht-asthmatische Eosinophile Bronchitis

  • Inhalative Kortikosterioide (z. B. Budesonid [Pulmicort®] 200 mcg oder Fluticason [Axotide®] 50 mcg 2 x täglich)
  • Sind inhalative Bronchodilatatoren nicht effektiv –> perorale Kortikosteroide als Zweitlinientherapie, falls hochdosierte inhalative Kortikosteroide nicht wirksam.

Refraktärer chronischer Husten

Refraktärer chronischer Husten* besteht, wenn nach umfassenden Abklärungen und Therapieversuchen der Husten bestehen bleibt.

* Synonyme: „unexplained chronic cough”, „chronic idiopathic cough”, „neurogenic cough”, „cough hypersensitivity syndrome”

Nicht pharmakologische Massnahmen

  • (Multimodale) Logopädie
  • Atemübungen
  • Erlernen der Husten-Suppressionstechniken.

Medikamente

  • Unspezifische Antitussiva wie Dextromethorphan (Bisolvon) und Guaifenesin (Resyl® Tropfen) zeigten einen limitierten Benefit
  • Niedrig dosiertes Morphin-Sulphat (retardiertes Präparat) – nur nach guter Aufklärung betreffend Nebenwirkungen und bei hohem Leidensdruck: Kann den Husten innert einer Woche bei der Hälfte der Patienten mit chronischem Husten reduzieren
  • Die optimale Dosis beträgt 5 mg (retardiertes Präparat in der Schweiz und Deutschland nicht erhältlich, als nicht retardiertes Präparat z. B. Capros akut®) 2 x täglich; wenn innerhalb einer Woche keine Besserung, Dosis verdoppeln, d. h. 10 mg (retardiertes Präparat, z. B. MST continus®) 2 x täglich
  • Neuromodulatoren: Gabapentin 1‘800 mg tgl., Pregabalin 300 mg tgl. zusätzlich zu Logopädie/Physiotherapie, langsam aufdosieren; gewisser Benefit nachgewiesen
  • Fehlende/unzureichende Evidenz
    Makrolide (Azythromycin, Erythromycin)
    Codein (Codein Knoll®, Makatussin®, Resyl Plus®).


Literaturauswahl

  1. Chung KF, Pavord ID: Prevalence, pathogenesis, and causes of chronic cough. The Lancet. 2008;371(9621):1364–74.
  2. Kardos P, Dinh QT, Fuchs K-H, Gillissen A, Klimek L, Koehler M, et. al.: Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. Pneumologie. 2019;73(03):143–80.
  3. Irwin RS, French CL, Chang AB, Altman KW, CHEST Expert Cough Panel: Classification of Cough as a Symptom in Adults and Management Algorithms: CHEST Guideline and Expert Panel Report. Chest. Januar 2018;153(1):196–209.
  4. Akuter und chronischer Husten, S3-Leitlinie, AWMF-Register-Nr. 053-013, DEGAM-Leitlinie Nr. 11.
  5. Michaudet C, Malaty J: Chronic Cough: Evaluation and Management. Am Fam Physician. 2017 Nov 1;96(9):575-580.
  6. Steven E Weinberger, Kai Saukkonen: Evaluation and treatment of subacute and chronic cough in adults. UpToDate 02/2023.
  7. Morice AH, Millqvist E, Bieksiene K, Birring SS, Dicpinigaitis P, Domingo Ribas C, Hilton Boon M, Kantar A, Lai K, McGarvey L, Rigau D, Satia I, Smith J, Song WJ, Tonia T, van den Berg JWK, van Manen MJG, Zacharasiewicz A: ERS guidelines on the diagnosis and treatment of chronic cough in adults and children. Eur Respir J. 2020 Jan 2;55(1):190113.

Weitere Literatur bei der Verfasserin.

Danksagung
Wir danken Prof. Dr. med. Claudia Steurer-Stey für die kritische Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Hinweise.

 

Impressum

Dieses Factsheet wurde im Juni 2023 erstellt.
© Verein mediX schweiz

Herausgeberin
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel

Redaktion
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel
Dr. med. Felix Huber
Dr. med. Uwe Beise 
Dr. med. Maria Huber

Autorinnen
Dr. med. Jovana Radulovic
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel

Dieses Factsheet wurde ohne externe Einflussnahme erstellt. Es bestehen keine finanziellen oder inhaltlichen Abhängigkeiten gegenüber der Industrie oder anderen Einrichtungen oder Interessengruppen.

mediX Factsheets werden mit grosser Sorgfalt entwickelt und geprüft, dennoch kann der Verein mediX schweiz für die Richtigkeit – insbesondere von Dosierungsangaben – keine Gewähr übernehmen.  

Alle mediX Guidelines/Factsheets im Internet unter www.medix.ch

Der Verein mediX schweiz ist ein Zusammenschluss von Ärztenetzen und Ärzten in der Schweiz
Verein mediX schweiz, Sumatrastr.10, 8006 Zürich

Rückmeldungen bitte an:

Guideline Kurzversion