Guideline

Herzinsuffizienz

Erstellt von: Andrea Rosemann Zuletzt revidiert: 04/2021 Letzte Änderung: 04/2021

Abkürzungen

 

Evidenz-Klassifikation

In dieser Guideline sind die Empfehlungen graduiert nach der wissenschaftlichen Evidenz angegeben, gemäss ESC/EAS Guidelines [1] –> siehe Tabelle im Anhang.



1. Einteilung [1, 2]

Definition

Herzinsuffizienz (Heart Failure, HF) ist ein Syndrom mit klinischen Symptomen verminderter körperlicher Belastbarkeit und/oder Zeichen der Flüssigkeitsretention aufgrund einer ventrikulären Funktionsstörung, bei der das Herz nicht mehr in der Lage ist, den Organismus mit ausreichend Blut und Sauerstoff zu versorgen, um den Stoffwechsel unter Ruhe- bzw. unter Belastungsbedingungen zu gewährleisten.  

Klassifikation

  • Nach Ort des Auftretens: Linksherz-, Rechtsherz- oder globale Herzinsuffizienz
  • Nach zeitlichem Verlauf: Chronische Herzinsuffizienz (Entwicklung über längeren Zeitraum) oder akute Herzinsuffizienz (nach akutem Ereignis)
  • Nach Ursache der funktionellen Störung
    • Verringerte Auswurfleistung (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF)
    • Gestörte Füllung des Herzens bei erhaltener Pumpfunktion (Heart Failure with preserved Ejection Fraction, HFpEF)

* Klinische Zeichen sind nicht zwingend bei frühen Stadien und unter Diuretika-Therapie

** Klinische Studien definieren Ein- und Ausschlusskriterien häufig anhand o. g. Schwellenwerte für die LVEF. Konsekutiv basieren auch viele Therapieempfehlungen zur Behandlung der Herzinsuffizienz auf dieser Einteilung.                

 

2. Ursachen

  • Häufigste Ursachen in Europa und mit 70–90 % verantwortlich für das Entstehen einer Herzinsuffizienz sind die koronare Herzkrankheit/KHK und die arterielle Hypertonie
  • Seltenere Ursachen
    • Nichtischämische Kardiomyopathien (KM)
      • Dilatative KM: Infektiös (z. B. viral), toxisch (z. B. Alkohol, Kokain, Zytostatika), Schwangerschaft, Autoimmunerkrankungen (z. B. Lupus erythematodes, Polyarteriitis nodosa, idiopathisch)
      • Hypertrophe/obstruktive KM
      • Restriktive KM: Amyloidose, Sarkoidose, Hämochromatose u. a. infiltrative Erkrankungen.
    • Arrhythmien: Vorhofflimmern, Tachykardie, Bradykardie, Sick Sinus Syndrom
    • Klappenvitien und angeborene Herzerkankungen wie Vorhof-, Ventrikelseptumdefekt
    • Perikarderkrankungen: Perikarderguss, konstriktive Perikarditis
    • High Output Failure: Anämie, Thyreotoxikose, arteriovenöse Fisteln u. a.
    • Äthyl- oder Arzneimitteltoxisch, z. B. Zytostatika (Alkylanzien wie Cyclophosphamid, Cisplatin, Taxane, Antracycline wie Doxorubicin u. a.), Immunmodulatoren (IF, IL-2), Appetitzügler, Antimykotika, Antiarrhythmika der Klasse I (in geringerem Umfang auch Klasse III und IV) u. a. [3].

 

3. Diagnostik

  • Bei Patienten, die sich mit Zeichen einer Herzinsuffizienz in der Hausarztpraxis vorstellen, sollte die Wahrscheinlichkeit einer Herzinsuffizienz zunächst auf Grundlage der klinischen Anamnese, körperlichen Untersuchung und des Ruhe-EKGs abgeschätzt werden

  • Wenn alle Untersuchungsergebnisse im Normbereich liegen, ist eine Herzinsuffizienz sehr unwahrscheinlich und andere Diagnosen zu erwägen

  • Wenn mindestens 1 Ergebnis abweicht, sollten – wenn möglich – die natriuretischen Peptide (NP) bestimmt werden, um Patienten zu identifizieren, die einer Echokardiographie bedürfen (indiziert, wenn der NP-Spiegel oberhalb der Ausschlussschwelle liegt). Der Einsatz der NP wird empfohlen, um eine Herzinsuffizienz auszuschliessen, aber nicht um die Diagnose zu stellen (–> Kap. 3.4.).

3.1. Symptome einer Herzinsuffizienz

∗ Die NYHA-Klassifikation [5] teilt Patienten nach klinischer Symptomatik und Leistungsfähigkeit in verschiedene Stadien der Herzinsuffizienz ein

  • Die Einteilung der Herzinsuffizienz in verschiedene Schweregrade ermöglicht, die Prognose der Patienten abzuschätzen sowie die Behandlung und Verlaufskontrollen stadiengerecht zu wählen
  • In einer Multicenterstudie in Schweizer Hausarztpraxen betrug die
    1-Jahresmortalität bei ambulanten Patienten 7,1 % bei NYHA II, 15,0 % bei NYHA III und 28,0 % bei NYHA IV [6]. Jeder dritte Patient verstirbt innerhalb eines Jahres nach herzinsuffizienzbedingter Ersthospitalisierung [7]
  • Je nach Therapieerfolg und Progression ist ein Wechsel zwischen den Stadien möglich.

3.2. Klinische Untersuchung

In einem systematischen Review zur diagnostischen Wertigkeit von Symptomen, klinischen Zeichen und anderen Anamnese-Aspekten war lediglich Dyspnoe ausreichend sensitiv (89 %) für das Vorliegen einer Herzinsuffizienz, aber wenig spezifisch (51 %). Relativ spezifische Parameter waren ein St. n. Myokardinfarkt (89 %), Orthopnoe (89 %), Ödeme (72 %), erhöhter Jugularvenendruck (70 %), Kardiomegalie (85 %), Herzgeräusche (99 %), pulmonale Geräusche (81 %) und Hepatomegalie (97 %). Die Sensitivität dieser Merkmale war jedoch gering (11–53 %) [4].

3.3. Elektrokardiogramm (EKG)

Trotz limitierter Aussagekraft (geringe Spezifität bei Anomalien von ca. 60 %, unauffälliges EKG schliesst eine CHF nicht aus) wird bei V. a. eine Herzinsuffizienz routinemässig ein 12-Kanal-EKG empfohlen (IC), im Hinblick auf

  • Informationen zur Ätiologie (z. B. Myokardinfarkt, LV-Hypertrophie, Arrhythmie)
  • Als Ausgangsbefund für Planung und Überwachung der Therapie.

3.4. Labor

  • Natriuretische Peptide (NP)
    • Ein systematischer Review von NICE [8] zur diagnostischen Güte von natriuretischen Peptiden in der nicht-akuten ambulanten Versorgung nennt folgende Werte
      • BNP 30 pg/ml: Sensitivität 95 % (89–98 %); Spezifität 35 % (29–42 %)
      • NT-proBNP: Sensitivität 100 % (93–100 %); Spezifität 70 % (63–77 %) bei altersspezifischen Schwellenwerten von
        • < 50 Jahre: 50 pg/ml
        • 50–75 Jahre: 75 pg/ml
        • > 75 Jahre: 250 pg/ml.
    • Je niedriger die Schwellenwerte, umso höher der prädiktive Wert für eine Ausschlussdiagnose
    • Aufgrund ihres hohen negativ prädiktiven Wertes kann bei Plasmaspiegeln unterhalb einer Schwelle von
      • NT-proBNP < 125 pg/ml
      • BNP < 35 pg/ml
        eine Herzinsuffizienz mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden [1]. Dies gilt v. a. für das „rule-out“ einer höhergradigen Einschränkung der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF), weniger zuverlässig für die Herzinsuffizienz mit erhaltener LVEF [34]
    • Bestimmung der NP zum Ausschluss einer Herzinsuffizienz kann erfolgen, wenn bei unspezifischen Symptomen wie Dyspnoe unklarer Ätiologie nach Exploration von Anamnese, körperlicher Untersuchung und EKG ein geringer klinischer Verdacht auf Herzinsuffizienz besteht und eine Überweisung zur Echokardiographie für den Patienten mit besonderen Belastungen verbunden ist (z. B. eingeschränkte Mobilität, regionale Nicht-Verfügbarkeit (IIaC)
    • Wegen geringer Spezifität und damit niedrigem positiv prädiktiven Wert eignet sich die Peptidbestimmung allein nicht zur Bestätigung der Diagnose Herzinsuffizienz.

      Erhöhte NP-Werte kommen z. B. auch bei Cor pulmonale, Lungenembolie, LV-Hypertrophie, Myokardinfarkt, Vorhofflimmern vor oder können auch extrakardiale Ursachen haben (z. B. Niereninsuffizienz, höheres Alter, Nierenversagen, Adipositas). Bei erhöhten Peptidwerten bedarf es ergänzend Informationen aus der Echokardiographie

    • NP können zur Therapiesteuerung und als Verlaufsparameter (Vergleich mit individuellem NP-Wert in kompensiertem Zustand) eingesetzt werden [9]. Unter Therapie mit ARNI (Sacubitril/Valsartan) sind die BNP-Plasmaspiegel erhöht und zur Verlaufskontrolle nicht geeignet –> hierfür dann NT-proBNP verwenden

    • Erhöhte Peptidspiegel korrelieren mit der NYHA-Klasse und einer schlechteren Prognose (Risiko für Dekompensation, Mortalität) [10].

  • Labor-Empfehlung bei neu diagnostizierter Herzinsuffizienz (IC), um Eignung für bestimmte Therapien zu prüfen und behandelbare Ursachen/Begleiterkrankungen mit Einfluss auf die Herzinsuffizienz zu erkennen
    • Blutbild
    • Entzündungsmarker CRP
    • Serumelektrolyte (Na, K)
    • Kreatinin, eGFR
    • Leberenzyme
    • Glucose, HbA1c
    • Lipidstatus
    • TSH
    • Ferritin
    • Urinstatus
    • Gesamt-Eiweiss +/- Albumin im Serum (nicht sicher kardial bedingte Ödeme?).

3.5. Echokardiographie (TTE)

Die TTE ist als Referenzmethode etabliert, um den durch die Basisdiagnostik erhärteten Verdacht auf Herzinsuffizienz zu bestätigen (IC) [1,11,12,13]

  • Zur Beurteilung kardialer Strukturen, der systolischen (LVEF) und diastolischen Funktion und damit Differenzierung der verschiedenen Formen der linksventrikulären Dysfunktion HFrEF, HFmrEF oder HFpEF
  • Sie liefert Hinweise auf verursachende Erkrankungen (z. B. Klappenvitien)
  • Diese Informationen sind grundlegend für die Therapieplanung und den Beginn ggfls. prognoseverbessernder Behandlungen.


3.6. Diagnose einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF)

Das Erkennen einer HFpEF als Ursache einer Belastungsintoleranz/-dyspnoe stellt eine besondere diagnostische Herausforderung dar.

Epidemiologisch ist die Prävalenz steigend, die prognostische Relevanz für Patienten mit einer HFpEF ist vergleichbar kritisch einer Herzinsuffizienz mit Einschränkung der LVEF. Gemäss der Framingham Study gibt es einen Anstieg von HFpEF in den letzten drei Jahrzehnten im Verhältnis zur Gesamtprävalenz der Herzinsuffizienz (von 41 % auf 56 %), zudem ist gemäss Daten der internationalen Kohortenstudie bei HFrEF die kardiovaskuläre Mortalität in den letzten Dekaden etwas rückläufig, während diese Entwicklung bei HFpEF nicht zu beobachten ist [14] – vermutlich aufgrund der besseren Behandlungsmöglichkeiten, ggfls. auch durch spätere adäquate Behandlung bei verzögerter Diagnosestellung.

3.7. Weiterführende Diagnostik

Bei gesicherter chronischer Herzinsuffizienz gilt für weiterführende, v. a. bei für den Patienten aufwändigen und/oder invasiven, belastenden Verfahren abzuwägen, welche therapeutischen Konsequenzen die Diagnostik hat, ob eine mögliche Therapie unter Berücksichtigung klinischer Parameter (Ko- bzw. Multimorbidität, Allgemeinzustand, Prognose, Lebenserwartung) und individuellen Therapiezielen/Patientenwunsch in Frage kommt [1, 2].

* mediX GL Chronisches Koronarsyndrom (CCS)

3.8. Verlaufskontrolle

Folgende Parameter sollen bei Patienten mit CHF regelmässig überprüft und dokumentiert werden (gemäss Expertenkonsens [1])

  • Funktionale Kapazität im Alltag (NYHA-Klasse): Anamnestische Exploration und durch Belastungstests (6-min-Gehtest, Ergometrie) objektiviert
  • Gesundheitsbezogene Lebensqualität
  • Körpergewicht und Hydratationszustand
  • Blutdruck: Auch im Stehen nach Messung im Liegen prüfen –> abfallender Blutdruck als Hinweis auf Hypovolämie
  • Herzrhythmus und -frequenz
  • Elektrolythaushalt und Nierenfunktion
  • Natriuretische Peptide: Zur NP-Wert-geleiteten Therapie ist die Studienlage inkonsistent, eine Cochrane-Metaanalyse von 2016 [16] ergab für keinen klinischen Endpunkt (mit Ausnahme herzinsuffizienzbedingter Hospitalisierungen) signifikante Ergebnisse.
    Sinnvoll ist eine Bestimmung im ambulanten Bereich bei klinischem Verdacht auf Verschlechterung der CHF, um drohende Dekompensationen rechtzeitig zu erkennen
  • Medikamentenreview mit ggfls. Dosisadaption
  • Adhärenz prüfen, v. a. bei inadäquatem Ansprechen der Therapie (Folgeverordnung geholt?).

 

4. Therapie [1, 2, 11]

  • Prinzipiell soll bei jedem Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz unter Berücksichtigung der Gesamtsituation evaluiert werden, ob ein kausaler Therapieansatz möglich und durch Behandlung der verursachenden Erkrankung die Herzinsuffizienz zu verbessern/ggfls. reversibel ist (z. B. Revaskularisation bei KHK, Sanierung eines Klappenvitiums)
  • Für die HFrEF gibt es einen nach Leitlinien etablierten Therapie-Algorithmus (Abb. 3) mit sequentiellem Einsatz symptomatisch als auch prognostisch wirksamer Behandlungsansätze [1, 2]
  • Bei der HFpEF ist bisher keine evidenzbasierte Therapie zur Reduktion der Mortalität und Hospitalisierung verfügbar. Alle bisherigen grossen prospektiven RCTs zeigten keinen signifikanten Therapieeffekt der bei HFrEF eingesetzten Pharmaka. Der Fokus der Therapie bei der HFpEF liegt auf der Behandlung von Prognose und Lebensqualität des den Patienten bestimmenden Komorbiditäten
  • Die Therapieempfehlungen bezüglich HFmrEF sind uneinheitlich – die ESC-Leitlinie [1] orientiert sich an der HFpEF, andere Leitlinien an der HFrEF [2]. Weitergehende Analysen der TOPCAT- (Aldosteronblockade bei CHF [17]) und PARAGON-Studie (ARNI bei CHF [18]) zeigten, dass Patienten mit einer leicht eingeschränkten systolischen Pumpfunktion (EF 40–50 %) von der Therapie profitierten, somit die Standardtherapie der HFrEF möglicherweise für das gesamte Spektrum der systolischen Funktionseinschränkung wirksam ist.

Allgemeine Therapieempfehlungen, nicht medikamentöse Intervention 

  • Patientenschulung mit Instruktionen zum Selbstmanagement zielen auf Erkennen interventionsbedürftiger Verschlechterung und verbessern die Therapietreue (Adhärenz zu Medikation, Lebensstil-Empfehlungen) [19]. Schulungsinhalte
    • Wissen über die Erkrankung; Warnzeichen, bei denen Arzt kontaktiert werden soll
    • Beratung zu Lifestyle mit Risikofaktorkontrolle und körperlicher Aktivität/Training (s. u.)
    • Tägliche Gewichtskontrolle. Erfahrungswerte unüblich, kurzfristiger Gewichtsanstiege zum Erkennen drohender Dekompensation, bei denen Patient mit Arzt Kontakt aufnehmen soll [2]
      • Zunahme von > 1 kg über Nacht oder
      • Zunahme von > 2 kg innerhalb von 3 Tagen oder
      • Zunahme von > 2,5 kg in 1 Woche
    • Kontrolle und Dokumentation von Blutdruck, Puls, Beschwerden und Symptomatik
    • Umgang mit den Medikamenten mit ggfls. eigenständiger Dosierung von Diuretika.
  • Körperliche Aktivität: Während bei akuter Dekompensation Bettruhe und Schonung sinnvoll sind, zeigen Beobachtungsstudien einen Nutzen körperlicher Aktivität im Hinblick auf Mortalität und Hospitalisierung [20,21]
    • Das Training soll auf einem Ausdauertraining basieren und zu verbesserten Belastbarkeit im Alltag führen
    • Ggfls. ergänzt um ein dynamisches Krafttraining (häufige Wiederholungen mit geringen Gewichten) dient es dem Aufbau der Muskulatur und wirkt einer herzinsuffizienzbedingten Sarkopenie entgegen
    • Die Anbindung an eine Herzsportgruppe kann motivationsfördernd wirken
    • Bei sehr stark dekonditionierten Patienten kann als Beginn auch ein Atemmuskeltraining infrage kommen.
  • Salz- und Flüssigkeitsrestriktion
    • Gegenüber positiven Effekten ist ein erhöhtes Risiko für Hyponatriämien (mit Folge von Verwirrtheit, Delir, Stürzen), Verschlechterung der Nierenfunktion und Steigerung der Herzfrequenz abzuwägen
    • In Metaanalysen zeigt sich kein vorteilhafter Effekt bei Flüssigkeitsrestriktion [22]
    • Bei schwerer Symptomatik, Hypervolämie und/oder Hyponatriämie kann kurzfristig Flüssigkeitsrestriktion auf 1,5–2 l/d infrage kommen
    • Unter Salzrestriktion < 6 g/d scheint sich Risiko für Mortalität und Hospitalisierungen zu erhöhen [23] und eine Salzrestriktion wird nicht mehr empfohlen.
  • Labor-Verlaufskontrollen unter medikamentöser Therapie der chronischen Herzinsuffizienz
    • Elektrolyte (Kalium und Natrium) und Nierenretentionswerte
    • Zeitabstände bei klinischer Stabilität [2]
      • 1–2 Wochen nach jeder Dosissteigerung
      • Dann nach 3 Monaten
      • Dann in 6-monatlichen Intervallen (unter MRA 4-monatlich)
      • Kürzere Intervalle bei Therapieänderung, zwischenzeitiger Hospitalisation oder vorbekannter renaler Dysfunktion oder Elektrolytstörungen oder Begleittherapie mit potenziell nephrotoxischen Substanzen.
  • Komedikation ist kritisch auf Arzneimittel zu prüfen, die eine Herzinsuffizienz verschlechtern können –> eine evidenzbasierte Zusammenstellung findet sich in einem Statement der American Heart Association [24]. Auswahl im Alltag bedeutsamer Medikamente (mit deren potenziellen Problemen im Kontext mit Herzinsuffizienz)
    • NSAR und COX-2-Hemmer (Salz-/Wasserretention, erhöhen Blutdruck, vermindern Diuretika-Wirkung)
    • Antidiabetika
      • Metformin (bei dekompensierter Herzinsuffizienz Gefahr der Lactatazidose)
      • Glitazone (Ödeme)
      • DPP-4-Inhibitoren (Saxagliptin erhöht Risiko für HF-bedingte-Hospitalisierung, Klasseneffekt unklar, inkonsistente Datenlage).
  • Antihypertensiva
    • ARB (oder Renininhibitor) zusätzlich zur Kombinationstherapie aus ACE-I und MRA nicht empfohlen (erhöhtes Risiko von Nierenfunktionsstörung und Hyperkaliämie)
    • α1-Blocker: Doxazosin, Terazosin (über β1-Stimulation Anstieg von Renin und Aldosteron)
    • Periphere Vasodilatatoren: Minoxidil, Dihydralazin (Salz- und Wasserretention).
  • Antiarrhythmika (mit negativ inotroper Wirkung)
    • CCB: Diltiazem, Verapamil
    • Klasse I: Flecainid, Propafenon
    • Klasse III: Dronedaron, Sotalol (Ausnahme Amiodaron).
  • Carbamazepin (negativ inotrope und chronotrope Effekte)
  • Antidepressiva
    • Trizyklische Antidepressiva (negativ inotrope, proarrhythmische Effekte)
    • SSRI: Citalopram, Escitalopram (dosisabhängige QT-Verlängerung).
  • Urologika α1-Blocker: Doxazosin, Tamsulosin, Terazosin (über β1-Stimulation Renin-/Aldosteronanstieg).

Therapie bei symptomatischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF)

Therapieziele

  • Kurzfristig: Verbesserung der Symptome und Zeichen der Herzinsuffizienz mit Optimierung der kontraktilen Funktion, Ausgleich der Flüssigkeitsbilanz sowie Modulation des neurohumoralen Systems, das als anfangs hilfreicher körpereigener Kompensationsmechanismus (Sympathikus-, RAAS-, Vasopressin-Aktivierung) im weiteren Verlauf zu einem Circulus vitiosus mit Verschlechterung der Herzinsuffizienz führt
  • Langfristig: Verhinderung von Hospitalisationen, Verbesserung der Lebensqualität und Überlebensrate

ACE: Angiotensin-Converting-Enzym; ARB: Angiotensin-Rezeptor-Blocker; ARNI: Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor; ICD: Implantierbarer Kardioverter/Defibrillator; CRT: Cardiale Resynchronisationstherapie; MRA: Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten; OMT: Optimale medikamentöse Therapie; VT/VF: Ventrikuläre Tachykardie/ventrikuläre Fibrillation

1  ARB alternativ zu ACE-I bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation

2  Sofern weiterhin erhöhte natriuretische Peptide

3  Bei Verträglichkeit einer Dosierung äquivalent zu Enalapril 10 mg 2 x täglich

4  Unter maximal tolerierter Betablocker-Dosis

Die 3 Säulen der HFrEF-Therapie sind ACE-I*, Betablocker und MRA

  • Bei der symptomatischen Herzinsuffizienz (NYHA II-IV) ist eine signifikante Risikoreduktion für HF-Hospitalisierung und vorzeitigen Tod der Substanzen belegt (jeweils IA-Empfehlung)

    *ARB als Reserve bei Intoleranz

  • Im asymptomatischen Stadium (NYHA I) ist die Evidenz inkonsistent. Bei ACE-I konnte zwar kein signifikanter Überlebensvorteil gezeigt werden, aber eine Reduktion der Hospitalisierungsrate und verminderte Progression in ein symptomatisches Stadium rechtfertigen den Einsatz. Betablocker sind im NYHA-Stadium I nach Myokardinfarkt indiziert
  • ARB werden aufgrund ihrer Evidenzlage von internationalen Leitlinien nur als Mittel der 2. Wahl bei ACE-I-Unverträglichkeit empfohlen, in einer Cochrane- und einer weiteren Metaanalyse fand sich kein Benefit bezüglich Mortalität und Hospitalisierungen verglichen mit Placebo oder ACE-I [25, 26]
  • Basis sind ACE-I und Betablocker, die Reihenfolge des Einsatzes oder ob mit beiden gleichzeitig begonnen wird, ist individuell zu entscheiden. Voraussetzung beim Betablocker ist ein klinisch stabiler Zustand, d. h. 1–2 Wochen konstantes Körpergewicht unter Diuretika, keine Zeichen einer Dekompensation. Zusätzlich MRA werden empfohlen, wenn der Patient unter dieser Therapie symptomatisch bleibt
  • Substanzauswahl
    • Bei den ACE-I geht man von einem Klasseneffekt aus und ist in der Auswahl frei
    • Bei den Betablockern ist der Nutzen bei CHF nur für Bisoprolol, Carvedilol und Metoprololsuccinat belegt, bei älteren Patienten über 70 Jahren auch für Nebivolol.
  • Essentiell für eine prognoseverbessernde Wirkung ist ein konsequentes Auftitrieren zur in Studien ermittelten Zieldosis, falls nicht möglich, bis zur maximal tolerierten Dosis. Empfohlen wird ein ca. 2-wöchiger Abstand der Dosisanpassung, symptomorientiert, beim Betablocker zudem frequenzadaptiert (Ziel-HF 55–60/min).

Diuretika

Bei Stauungszeichen, als rein symptomatische Therapie zur Symptomlinderung und Verbesserung der Belastungsfähigkeit (IB)

  • Dosierung der Schleifendiuretika (Furosemid, Torasemid) orientiert an Symptomatik und Nierenfunktion
  • Diuretika-Resistenz: Ursache ist ein Nephron-Remodelling bei Langzeitbehandlung mit Schleifendiuretika, in Folge erhöht sich die Natriumchlorid-Reabsorption des distalen Nephrons. Massnahmen:
    • Aufdosierung der Schleifendiuretika (2 x tägliche Gabe) oder
    • Sequenzielle Nephronblockade über Kombination Schleifen- mit Thiaziddiuretikum (CAVE: kann zu starker, überwachungsbedürftiger Natriurese und Kaliurese führen!) oder Schleifendiuretikum mit Metolazon oder mit Amilorid (nur in Kombination mit HCT erhältlich; Moduretic®).

Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), Sacubitril/Valsartan (Entresto®)

  • Wird als Ersatz für einen ACE-I bei HFrEF empfohlen, wenn der Patient trotz OMT mit einem ACE-I, Betablocker und MRA symptomatisch bleibt (IB)
  • Wirkprinzip, prognostischer Effekt
    • ARNI hemmt den Abbau von BNP, erhöht somit die Bioverfügbarkeit und konsekutiv den natriuretischen und vasodilatierenden Effekt des endogenen Hormons
    • Aufgrund dieser Wirkungsweise verlieren BNP-Plasmaspiegel unter ARNI-Therapie ihre diagnostische Aussagekraft (falsch hohe Werte) –> NT-proBNP bleibt unbeeinflusst und kann als Verlaufsparameter der Herzinsuffizienz eingesetzt werden
    • In der PARADIGM-HF-Studie zeigte sich gegenüber Enalapril eine signifikante Reduktion des primären Komposit-Endpunkts kardiovaskulärer Tod und HF-bedingte Hospitalisierung (RRR 20 %, ARR 4,7 %, NNT 22) sowie signifikante Vorteile bezüglich Gesamtmortalität (ARR 2,8 %, NNT 36) nach median 27 Monaten Nachbeobachtungszeit [27].
  • Sicherheit
    • Unter ARNI wurden im Vergleich zum ACE-I weniger schwere Hyperkaliämien und eine verlangsamte Verschlechterung der Niereninsuffizienz beobachtet
    • ARNI wirken relativ stark blutdrucksenkend, wegen erhöhtem Hypotonierisiko werden sie daher nur für Patienten empfohlen, die unter ACE-I oder ARB in einer Dosis äquivalent zu Enalapril 2 x 10 mg einen Blutdruck von mind. 100 mmHg systolisch haben
    • Aufgrund des erhöhten Angioödem-Risikos darf die Behandlung mit Sacubitril/Valsartan erst 36 h nach Einnahme der letzten ACE-I-Dosis begonnen werden (gilt nicht für die Umstellung von ARB auf ARNI).
  • Dosierung
    • Initialdosis 2 x 100 mg (2 x 50 mg ohne „Prämedikation“ mit ACE-I/ARB oder bei Vortherapie mit niedrigerem Dosis-Äquivalent als Enalapril 2 x 10 mg)
    • Dosis sollte alle 2–4 Wochen je nach Verträglichkeit verdoppelt werden
    • Angestrebte Ziel-/Erhaltungsdosis 2 x 200 mg.

SGLT2-Inhibitoren (Gliflozine)

  • Ein neuer medikamentöser Therapieansatz sind SGLT2-I, unabhängig des Vorliegens eines Diabetes mellitus, als primäre Herzinsuffizienztherapie. Dapagliflozin (Forxiga®) wurde Ende 2020 in der Schweiz die Zulassung für diese Indikation erteilt basierend auf den Daten von DAPA-HF [28], der bislang einzigen Studie zum Nutzen von SGLT2-I bei Patienten mit Herzinsuffizienz ohne Diabetes
  • Wirkprinzip, prognostischer Effekt
    • Eine Hemmung des Natrium/Glucose-Cotransporters 2 (SGLT2) führt zur Glucosurie, wirkt zudem natriuretisch und senkt damit Vor- und Nachlast
    • In den Sicherheitsstudien zeigte sich neben der glykämischen Kontrolle bei Diabetes ein kardioprotektiver Effekt, die zugrundeliegenden Mechanismen sind neben den o. g. nicht abschliessend geklärt: Bei allen SGLT2-I war eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunkts und der Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz nachzuweisen
    • In der DAPA-HF-Studie erhielten persistierend symptomatische Patienten NYHA II-IV mit LVEF ≤ 40 % additiv zu ihrer leitliniengerechten OMT (ACE-I/ARB/ARNI 94 %, BB 96 %, MRA 71 %, Diuretikum 93 %) 10 mg Dapagliflozin oder Placebo. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 18 Monaten zeigte sich eine hochsignifikante Reduktion des primären Komposit-Endpunkts kardiovaskulärer Tod, HF-bedingte Hospitalisierung oder Notaufnahme-Besuch unabhängig des Vorliegens eines Diabetes (in der Subgruppe ohne T2DM = 55 % der Studienteilnehmer: RRR 25 %, ARR 5,5 %, NNT 21). Die Gesamtmortalität wurde nur bei den Patienten mit Diabetes signifikant reduziert.
  • Dosierung zur Behandlung der Herzinsuffizienz: Dapagliflozin (Forxiga®) 10 mg, unabhängig von Mahlzeiten, zu beliebiger Tageszeit.

Ivabradin (Procoralan®)

  • Ivabradin sollte bei symptomatischen Patienten mit einer LVEF ≤ 35 %, im Sinusrhythmus und einer Ruhe-HF ≥ 70/min trotz OMT mit ACE-I/ARB und MRA inkl. Betablocker (in Ziel- oder max. tolerierter Dosis) bzw. bei Betablocker-Intoleranz erwogen werden (IIa)
  • Wirkprinzip, prognostischer Effekt
    • Der If-Kanal-Hemmer senkt selektiv die Sinusfrequenz. In der SHIFT-Studie [29] wurden die Hospitalisierung hoch- und der Tod aufgrund von Herzinsuffizienz signifikant gesenkt (RRR 18 %, ARR 5 %, NNT 20 für den primären Komposit-Endpunkt). Ein Nutzen bei Vorhofflimmern ist bisher nicht ausreichend belegt.
  • Sicherheit
    • Die Therapie ist mit einem signifikant häufigeren Auftreten symptomatischer Bradykardien, Sehstörungen (Phosphene, verschwommenes Sehen) und Vorhofflimmern verbunden.
  • Dosierung
    • Initialdosis 2 x 5 mg (2,5 mg bei > 75 J.), zu den Mahlzeiten –> nach 2 Wochen Steigerung auf 2 x 7,5 mg (5 mg)
    • Dosis-Titration abhängig von HF (< 60/min –> keine Steigerung, < 50/min –> Reduktion).

Digoxin

  • Reservemedikament für Patienten mit HFrEF, wenn sie unter OMT mit ACE-I (oder ARB), Betablocker und MRA symptomatisch bleiben, nach Ausschöpfung der in Abb. 3 dargestellten vorgängigen Optionen (IIbB)
  • Wirkt nicht lebensverlängernd, kann aber durch HF-Reduktion und positiv inotropem Effekt Symptomatik und Belastungstoleranz verbessern
  • Sicherheit
    • Digoxin wird ausschliesslich renal eliminiert und hat nur eine geringe therapeutische Breite
    • Daher ist bei chronischer Niereninsuffizienz und bei älteren Patienten besondere Vorsicht geboten.

Eisensubstitution

  • Eisenmangel wird bei Herzinsuffizienz häufig gefunden (30–50 %) und ist mit der Schwere der Erkrankung und negativ mit der Prognose assoziiert, unabhängig vom Vorliegen einer Anämie [30]
  • Eisencarboxymaltose i.v. sollte bei symptomatischen Patienten mit HFrEF und Eisenmangel (Serumferritin < 100 μg/l) erwogen werden (IIaA)
  • Die Empfehlung leitet sich aus Daten der FAIR-HF-Studie [31] ab mit signifikanter Verbesserung der Lebensqualität und Belastungsfähigkeit (+ 30 m im 6-min-Gehtest) nach Eisensubstitution. In der CONFIRM-HF-Studie zeigte sich nach Eiseninfusion eine gegenüber Plazebo nach 1 Jahr signifikant um ca. ein Drittel reduzierte Rehospitalisationsrate [32]
  • Bei einer Supplementierung mit oralen Eisenpräparaten konnte hingegen kein Nutzen gezeigt werden [32].

Device-Therapie

Kardiale Resynchronisations-Therapie (CRT)

  • Durch Optimierung der myokardialen Kontraktionsabläufe bei einer HFrEF mittels vorhofgesteuerter biventrikulärer Elektrostimulation lässt sich die Pumpleistung und Prognose verbessern
  • Am meisten profitieren persistierend symptomatische Patienten ab NYHA II und LVEF ≤ 35 % trotz OMT im SR, mit breitem QRS-Komplex bei LSB-Morphologie (Ausdruck asynchroner Aktion beider Ventrikel). Der Nutzen nimmt mit zunehmender QRS-Dauer ≥ 130 msec (IB) zu und ist eindeutig belegt ≥ 150 msec (IA).

Implantierbarer Kardioverter/Defibrillator (ICD)

Ein ICD wird zur Senkung des Risikos für plötzlichen Herztod und der Gesamtmortalität empfohlen, sofern eine Lebenserwartung > 1 Jahr mit gutem funktionellen Status erwartet werden kann, zur

  • Primärprävention: Bei symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA II–III) und einer trotz OMT ≥ 3 Monate bleibend tiefen LVEF ≤ 35 %
    • Bei ischämischer Herzerkrankung, bei St. n. Herzinfarkt nach > 40 Tagen Latenz (IA)
    • Bei dilatativer Kardiomyopathie (IB).
  • Sekundärprävention: Nach ventrikulärer Rhythmusstörung mit hämodynamischer Instabilität (IA).

Therapie bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF)

Im Gegensatz zur HFrEF konnte für die HFpEF noch für keine medikamentöse Therapie ein prognostischer Benefit nachgewiesen werden. Die Erwartungen an den ARNI hierfür haben sich nicht bestätigt, in der PARAGON-HF-Studie [18] wurde für den Einsatz bei einer LVEF > 45 % das Signifikanzniveau für den primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod und HF-Hospitalisation) knapp verfehlt. Derzeit wird die Wirkung von SGLT2-Inhibitoren bei HFpEF in der DELIVER- (Dapagliflozin) und EMPEROR-Preserved-Studie (Empagliflozin) untersucht, erste Ergebnisse werden für 2021 erwartet.

  • Aktuell fokussiert sich die Behandlung der HFpEF auf für die Prognose und Lebensqualität des Patienten relevante Komorbiditäten (IC). Eine der wichtigsten therapeutischen Ansätze ist hier die bestmögliche Einstellung einer arteriellen Hypertonie
  • Diuretika werden bei Stauung empfohlen, um die Symptome und Zeichen der Herzinsuffizienz zu lindern (IB).

 

5. Indikation zur Hospitalisation

Eine akute Herzinsuffizienz (AHF) ist gekennzeichnet durch rapide (< 48 h) einsetzende (De-novo-Erkrankung) oder – in den meisten Fällen – sich verschlechternde Symptome/Zeichen einer Herzinsuffizienz als Dekompensation einer bekannten chronischenHerzinsuffizienz. Mögliche Auslöser sind

  • Akute kardiale Ursachen (z. B. akutes Koronarsyndrom, hypertensive Entgleisung, Arrhythmie)
  • Unkontrollierte Komorbiditäten (z. B. Infektionen, Anämie, Schilddrüsendysfunktion)
  • Arzneimittelwirkung: Wirkungsabschwächung infolge stauungsbedingt gestörter gastrointestinaler Resorption oder ungünstige Komedikation [24]
  • Patientenverhalten: Nichteinhaltung von Therapieempfehlungen, Substanzmissbrauch (Alkohol, Stimulanzien).

Die AHF ist eine lebensbedrohliche Situation. Zur Triagierung und schnellen klinischen Klassifizierung bei akuter Herzinsuffizienz wird eine Einteilung basierend auf dem Nicht- oder Vorhandensein von Zeichen einer Stauung in „trocken/feucht“ und/oder peripherer Hypoperfusion in „warm/kalt“ empfohlen.

1  Zeichen für Stauung: Periphere Ödeme, Pleuraerguss, Aszites, Dyspnoe, Orthopnoe, Rasselgeräusche, Tachypnoe, Zyanose, Jugularvenenstauung, hepatojugulärer Reflux
2  Periphere Hypoperfusion: Kalte Extremitäten, marmorierte Haut, Zyanose, geringe Urinausscheidung, Bewusstseinsstörung (Verwirrung, Schwindel, Schläfrigkeit)
3 Stationäre Einweisung empfohlen, sofern keine palliative Situation vorliegt.

Ambulante Erstversorgung [1, 2]

  • Oberkörper hoch lagern
  • i.v.-Verweilkanüle legen
  • Flüssigkeitsersatz (Kochsalz- oder Ringer-Lactat-Lösung) bei symptomatischer Hypotonie/hämodynamischer Instabilität (IC)
  • Sauerstoff-Gabe: Nicht routinemässig – nur bei AHF und Hypoxämie mit SpO2
    < 90 %
  • Diuretika
    • Indiziert bei AHF mit Stauungssymptomen (peripher und/oder pulmonal) und adäquater peripherer Perfusion („warm-feuchter“ Typ; normo- oder hypertensiv)
    • Ein systematischer Review (10 RCTs, n = 786) [33] fand keine Evidenz für eine Überlegenheit im Vergleich von oralen mit intravenösen Schleifendiuretika bei AHF. Um einen schnellen Wirkungseintritt sicherzustellen (auch Stauungsgastritis), empfehlen Leitlinien aber die i.v.-Applikation
    • Empfohlene Initialdosis 20–40 mg i.v. Furosemid (oder Äquivalent) (IB).
  • Vasodilatoren
    • Indiziert bei „feuchter“ hypertensiver respektive normo-/hypotoner AHF, sofern SBP > 90 mmHg, zur Vorlastsenkung um Symptome zu bessern und Stauung zu verringern (IIaB)
    • Nitroglycerin 1 Kps oder 2 Sprühstösse (= 0,8 mg) sublingual. Alternativ i.v. Applikation, ermöglicht genauere Dosistitration und kontinuierliche Verabreichung, vorausgesetzt entsprechende Ausstattung (Perfusor, Infusomat) und angemessene Überwachung von Blutdruck und Herzfrequenz.
  • Opiate
    • Opiate können bei AHF mit schwerer Dyspnoe und Angst erwogen werden (IIbB)
    • Empfehlung basiert auf klinischen Beobachtungsstudien und pathophysiologischer Überlegung (um Atmung zu beruhigen und Vorlast zu reduzieren), eine Evidenz aus RCTs zum Einsatz bei AHF existiert nicht
    • Wegen Risiko unerwünschter Effekte (Übelkeit mit Erbrechen und Hypopnoe) kommen sie nicht routinemässig zum Einsatz und sollen niedrig dosiert werden, z. B. Morphin 3–5 mg fraktioniert i.v.
  • Katecholamine
    • Positiv inotrope Substanzen (z. B. Dobutamin) können als kurzfristige i.v. Infusion zur Stabilisierung bei trotz adäquatem Füllungszustand vorliegender Hypotonie (< 90 mmHg) und/oder Hypoperfusion erwogen werden (IIbC)
    • Wenn refraktär, können Vasopressoren (bevorzugt Noradrenalin) zur Blutdruckunterstützung bei anhaltender Hypoperfusion erwogen werden (IIbB)
    • Adrenalin wird vorwiegend in Reanimationssituationen (Asystolie, elektromechanische Entkopplung) eingesetzt.

 

6. Literaturverzeichnis

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7. Anhang

Tabelle 1: Evidenzkategorien gemäss ESC/EAS Guidelines [1]




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Diese Guideline wurde im April 2021 aktualisiert.
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Herausgeber
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Redaktion
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Autorin
Dr. med. Andrea Rosemann

 

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