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Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD)

Erstellt von: Saskia Büdenbender, Corinne Chmiel, Uwe Beise Zuletzt revidiert: 10/2023 Letzte Änderung: 10/2023

Ernährung

Für PatientInnen

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1. Definition, Epidemiologie, Einteilung

Definition

  • Eine gastroösophageale Refluskrankheit (GERD) liegt vor, wenn durch Rückfluss von Mageninhalt störende Symptome und/oder Läsionen der Speiseröhre auftreten.

Epidemiologie (1)

  • Weltweit besteht eine GERD-Prävalenz (Refluxsymptome > 1 x/Woche) von
    13 %, mit grossen geographischen Schwankungen (Südosteuropa > 25 %, Frankreich < 10 %)
  • Prävalenz steigend, in Ländern mit hohem Lebensstandard 15–25 %, in ärmeren Ländern 10 %
  • Risikofaktoren: Übergewicht und Tabakrauchen, Hiatushernie, genetische Disposition, Rheumatische Erkrankungen, Schokolade, Minze, Alkohol, Blutdruckmedikamente, NSAR, fettreiche Ernährung
  • 75 % aller Schwangeren leiden unter Reflux.

Einteilung (2)

Der Begriff GERD subsummiert

Erosive Refluxösophagitis (ERD)

  • Refluxerkrankung mit endoskopisch nachweisbarer Läsion (Erosion, Striktur, Barrett-Ösophagus). Weniger als 50 % aller Patienten mit typischen GERD-Symptomen haben endoskopisch erkennbare Schleimhautläsionen

  • Risikofaktoren: Hiatushernie, Kaffee, Alkohol- und Nikotinkonsum, Übergewicht, männliches Geschlecht und HP-Negativität.

Barrett-Ösophagus

  • Als Barrett-Ösophagus bezeichnet man einen Ösophagus mit einer intestinalen Metaplasie (Barrett-Metaplasie), welche eine Präkanzerose für ein Barrett-Karzinom darstellen kann
  • Das Risiko für eine Progression zum Speiseröhrenkarzinom ist sehr gering (ca. 0,1–0,4 % pro Jahr [12, 13, 20])

    Hinweis: Vom Barrett-Ösophagus abzugrenzen sind versprengte Magenschleimhaut-Inseln (sog. inlet patches) im Ösophagus. Diese können Magensäure produzieren, weisen aber keine Entartungstendenz auf und müssen nicht kontrolliert werden.

Nicht erosive Refluxkrankheit (NERD)

  • Refluxerkrankung ohne endoskopisch nachweisbare Läsionen. NERD kann die Lebensqualität ähnlich stark beeinträchtigen wie ERD; > 50 % aller Patienten mit typischen GERD-Symptomen haben keine endoskopisch erkennbaren Schleimhautläsionen.

Hypersensitiver Ösophagus

  • pH-metrisch/manometrisch nachgewiesene Beschwerdeassoziation mit Refluxepisode. Die Anzahl der Refluxepisoden liegt im Normbereich.

Funktionelle Refluxbeschwerden

  • Patienten klagen über Sodbrennen, ohne dass ein pathologischer Reflux bzw. eine pathologische Anzahl an Refluxepisoden vorliegt (negative pH-Metrie/Impedanz) und ohne dass eine zeitliche Assoziation der Schmerzen mit physiologischen Refluxereignissen besteht
  • Geringes Ansprechen auf PPI- Etwa 35 % der Reflux-Patienten ohne pH-metrische oder endoskopische Evidenz für das Vorliegen einer GERD sprechen auf eine PPI-Therapie an
  • Siehe auch mediX GL Funktionelle Dyspepsie.

Extraösophageale Manifestationen von Reflux

–> Kap. 2.

 

2. Symptome (2, 3)

  • Auf die Speiseröhre bezogene Symptome wie z. B. Sodbrennen, Oberbauchschmerzen
  • Nicht-kardialer Thoraxschmerz: GERD ist eine der häufigsten Ursachen des nicht-kardialen Thoraxschmerzes; oft isoliertes oder dominierendes Symptom (–> mediX GL Thoraxschmerz)
    Symptomverlauf
    • Oft episodisch: Aus unklaren Gründen für Tage/Wochen schlimmer, spontan aber auch wieder besser. –> Deshalb können Therapiepausen bei Beschwerdefreiheit unter PPI-Therapie sinnvoll sein, um ein solches Fenster zu entdecken und dann ggfls. die Medikation zu reduzieren/stoppen
    • Die Symptome korrelieren nicht gut mit der Schwere der Erkrankung, d. h. aus der Symptomstärke lässt sich kein Schweregrad abschätzen.
  • Extraösophageale Manifestationen sind umstritten betreffend Häufigkeit und Relevanz (14). Folgende Formen weden diskutiert
    • Laryngeal: Reflux-Laryngitis/Heiserkeit, Globusgefühl, Sinusitis, Schleim oder Schmerzen in der Kehle, Zahnerosionen
    • Pulmonal: Refluxhusten, Refluxasthma, pulmonale Fibrose, Allograft-Versagen.

Alarmzeichen (Red flags)

Die meisten GERD Patienten haben kein erhöhtes Ösophaguskarzinom-Risiko, da die nicht erosive Form viel häufiger ist als die erosive (20). Sollten folgende Red Flags vorliegen, spricht dies jedoch gegen eine ungefährliche nicht erosive Form

  • Erstmanifestation jenseits des 45. Lebensjahres
  • (Ungewollter) Gewichtsverlust
  • Rezidivierendes Erbrechen
  • Dysphagie
  • Odynophagie
  • Anamnese für gastrointestinale Tumoren
  • Eisenmangelanämie bzw. V. a. (obere) gastrointestinale Blutung.

 

3. Diagnostik (2, 3, 5) –> Abbildung 3

GERD kann nicht mit einem einzigen Verfahren allein bewiesen oder ausgeschlossen werden
Für eine zuverlässige Diagnose extraösophagealer GERD-Manifestationen anhand von endoskopischen oder funktionsdiagnostischen Befunden gibt es noch keine validen Kriterien.

Anamnese/PPI-Trial

  • Typische Symptome, das Fehlen von Alarmsymptomen und Differentialdiagnosen sowie ein Ansprechen auf einen Behandlungsversuch mit PPI machen die Diagnose einer Refluxerkrankung (GERD oder NERD) wahrscheinlich. Eine Gastroskopie ist in diesen Fällen nicht erforderlich
  • PPI-Trial: Das Ansprechen auf einen 4–8-wöchigen PPI-Behandlungsversuch ist ein einfaches, aber nicht ganz verlässliches Kriterium (Sensitivität: 78 %, Spezifität: 54 %). Bei unklaren Symptomen kann der PPI-Trial nicht allein zur Diagnosesicherung herangezogen werden (15), da er auch bei einem Teil der Patienten mit funktioneller Dyspepsie anspricht
  • Der PPI-Trial stellt jedoch eine einfache diagnostische und therapeutische Option dar und sollte trotz nicht optimaler Sensitivität und Spezifität als First-Line-Intervention durchgeführt werden.

Wann wird eine apparative Diagnostik empfohlen?

  • Endoskopie (Ösophago-Gastro-Duodenoskopie/ÖGD)
    • Bei Alarmsymptomen zwingend erforderlich
    • Bei erfolgloser aber korrekt durchgeführter probatorischer Therapie.
      Cave: Häufig wird der PPI-Trial nicht korrekt durchgeführt (keine nüchterne Einnahme, nicht täglich und nicht genügend lange!)
    • Keine Endoskopie ohne Red flags und ohne PPI-Trial!
      Anmerkung: Besteht der dringende Wunsch des Patienten nach sofortiger endoskopischer Abklärung, kann man dem Wunsch nachkommen, auch um bei unauffälliger Endoskopie zur Beruhigung beizutragen
    • Indexendoskopie: Kann in Betracht gezogen werden, wenn der PPI-Trial erfolgreich ist, ein Ausschleichen des PPI im Verlauf auf eine niedrige Erhaltungsdosis oder eine Reservetherapie jedoch nicht möglich ist.

      Begründung: Eine Refluxerkrankung heilt oft nicht aus, wenn zu Grunde liegende Faktoren nicht behoben werden, weshalb die Aussicht lebenslanger Behandlung mit PPI sowie eine mögliche diagnostische Unsicherheit bei Arzt und Patient eine einmalige (Index)-Endoskopie rechtfertigen können. Die Endoskopie führt auch zur Beruhigung von Patienten mit funktioneller Dyspepsie, was oft einen positiven Einfluss auf die Symptomatik hat.
      ⇒ Oft beantwortet eine Endoskopie mit Biopsien die differentialdiagnostischen Fragen nach eosinophiler Ösophagitis, Reflux, Barrett, H. pylori, Ulkus, Malignom, Laktoseintoleranz oder Zöliakie effizienter als wiederholte Konsultationen und eine sequentielle Suche mittels anderer Methoden wie z. B. Serologie, PCR, Funktionstests.

    • Nach mehrjährig bestehenden Refluxbeschwerden und ohne Indexendoskopie wird eine once-in-a-lifetime-Endoskopie empfohlen mit der Frage nach Barrett-Ösophagus, wobei der genaue Untersuchungszeitpunkt dafür bislang unklar ist. Für eine anhand der Symptomatik getroffenen Selektion zur endoskopischen Abklärung gibt es keine Evidenz, da 40 % der Karzinompatienten keine hohe Symptomlast aufweisen
    • Bei gesicherter Diagnose und episodisch auftretenden oder therapeutisch gut kontrollierten Symptomen ist eine erneute Endoskopie i. d. R. nicht sinnvoll.
  • Funktionsdiagnostik (pH-Metrie, Manometrie)
    • Kann bei funktionellen Beschwerden (also unauffällliger Endoskopie) und Therapierefraktärität in Betracht gezogen werden.

Hinweise zu apparativen Untersuchungen

  • Endoskopie: Beurteilung z. B. gemäss Los Angeles-Klassifikation (s. Tabelle 1); ggfls. auch mit Essig-Kontrastierung zur Beurteilung der Z-Linie auf Barrett-Mukosa und Dysplasie

  • Impedanz-pH-Metrie: mittels Bravo-Kapsel oder mittels Nasensonde zur Abgrenzung einer NERD gegenüber einem hypersensitiven Ösophagus oder funktionellem Sodbrennen. Indikation: Bei Unsicherheit, ob bei unauffälliger Gastroskopie und Therapierefraktärität überhaupt saurer Reflux vorliegt (NERD), ob ein hypersensitiver Ösophagus, ob eine Korrelation von subjektiven Symptomen und Refluxepisoden vorliegen
  • pH-Metrie: Wann unter fortgesetzter PPI-Therapie?
    Wenn man herausfinden möchte, warum trotz PPI-Therapie keine Beschwerdefreiheit besteht, PPI nicht absetzen. Es zeigt sich dann bei ca. 1/3 der Patienten eine ungenügende Suppression von saurem Reflux oder eine fehlende Unterdrückung von schwach-saurem oder nicht saurem (Volumen-)Reflux –> dadurch kann die Indikation für eine Dosiseskalation oder Deeskalation gestellt werden
  • Ösophagus-Manometrie (High-Resolution Ösophagus-Manometrie): Bei V. a. Motilitätsstörung, Frage nach Achalasie (und andere Motilitätstörungen, wie
    z. B. hyperkontraktiler Ösophagus), zur Abklärung vor geplanter Refluxchirurgie.

 

4. Therapie (2, 5, 7, 10) –> Abbildung 3

Ziele

  • Symptomkontrolle sowie Abheilung von endoskopisch sichtbaren Refluxläsionen, um Komplikationen wie Blutung, Stenose, Karzinom zu verhindern. Neu erzielte Symptomfreiheit ist ein guter Prädiktor für Abheilung
  • Da die Beschwerden sich oft spontan bessern, kann sich insbesondere bei einer NERD die Behandlungsdauer am Verlauf orientieren.

1. Nicht-medikamentöse unterstützende Massnahmen

  • Gewichtsnormalisierung
  • Vermeiden von Nikotin, Alkohol, Koffein
  • Vermeidung von Mahlzeiten 2 Stunden vor dem Hinlegen. Es gibt keine spezielle Anti-Reflux-Diät, vielmehr geht es um ein individuelles Vermeiden nicht verträglicher Lebensmittel: Allenfalls individualisierte Ernährungsberatung
  • Vermeidung von Sportarten mit besonderer Betätigung der Bauchpresse
  • Linksseitenlage aus anatomischen Gründen
  • Vermeidung enger Kleider und enger Gürtel (Behinderung der ösophagealen Clearance)
  • Zwerchfelltraining (6)
  • Wie schwierig die Umsetzung der allgemeinen Empfehlung des Schlafens mit erhöhtem Oberkörper ist, zeigt ein spezielles Kissen, das zwar anschaulich die Idee hinter der Empfehlung illustriert, aber auch die voluminösen Ausmasse eines solchen „positional therapy device“.
    Eine gute und kostengünstige Alternative ist die Kopfseite des Bettes mittels einer Unterlage (Holz-Block unter die Bettbeine) zu stellen.

    Hinweis: Spezialkissen sind eine Option zum Selbstmanagement, aber keine KK-Leistung.

Abbildung 1: Spezialkissen zum erhöhten Schlafen

 

2. Medikamentöse Therapie

  • Akuttherapie: Jede Behandlung bei Erstdiagnose/Erstvorstellung oder Exazerbation einer bekannten GERD
  • Langzeittherapie (LZ): Jede Behandlung nach Abschluss einer Akuttherapie
  • Kontinuierliche LZ-Therapie: Regelmässige Einnahme eines Medikaments, z. B. auch jeden 2. Tag
  • Intermittierende Therapie: Wiederholung einer Akuttherapie
  • Bedarfstherapie: „On demand“ Einnahme nur bei Auftreten von Symptomen oder bei/vor Situationen, die typische Symptome hervorrufen, max. 1 pro Tag.

Abbildung 2: Mögliche Verlaufs- und entsprechende Therapieformen der Refluxerkrankung (aus [2])

 

4.1. Antireflux-Medikamente

  • Protonenpumpenhemmer (PPI)
    • Sind die wirksamsten Medikamente zur Behandlung des sauren Refluxes
    • Verschreibungsprinzip „Initial so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ (–> Smarter medicine Gastroenterologie)
    • 30–50 % der Verordnungen sind nicht indiziert. PPI-Übergebrauch kommt besonders häufig vor bei älteren multimorbiden Patienten und bei gleichzeitiger Einnahme von Medikamenten mit Blutungsrisiko (4)
    • In den allermeisten Fällen ist nach initial höherdosierter Therapie eine dosisreduzierte Dauerbehandlung zur Erhaltung ausreichend, wenn nicht sogar auf eine On-Demand-Therapie (s. Abschnitt Deprescribing)
    • Bei längerer Beschwerdefreiheit sind eine Dosisreduktion und ggfls. ein temporärer Auslassversuch sinnvoll, um Phasen spontaner Beschwerdefreiheit nicht zu verpassen
    • Nebenwirkungen: Sind selten. Bei indikationsgerechter Verordnung übersteigt der klinische Nutzen mögliche Risiken um ein Vielfaches (16, 17). Schwangerschaft: Es gibt keine Hinweise auf mögliche fetotoxische Wirkung
    • Medikamentenwahl: Bei Verwendung der Äquivalenzdosen sind die Unterschiede in der klinischen Wirksamkeit bei der Behandlung der GERD gering und vernachlässigbar, die Kosten sind jedoch unterschiedlich (19).
      mediX empfiehlt, bei bestehendem Ulkus oder zur Helicobacter pylori-Eradikation Esomeprazol einzusetzen. Ansonsten kann das kostengünstigste Präparat gewählt werden.

      Hinweis: PPI sind in ihrer Wirkung auf die intragastrale Azidität unterschiedlich. In Relation zu 20 mg Omeprazol (definiert als 1,0) ist die relative Wirksamkeit von Standarddosen von Pantoprazol 0,23, Lansoprazol 0,90, Esomeprazol 1,62 und Rabeprazol 1,82 (18). Zu beachten ist, dass Patienten unterschiedlich auf PPI ansprechen.

Tabelle 2: Dosierung von Protonenpumpenhemmern (PPI)

  • H2-Blocker
    • Aufgrund der besseren Wirksamkeit, der guten Verträglichkeit und der Preisnivellierung der PPI haben H2-Blocker nur noch einen untergeordneten Platz in der Therapie der Refluxerkrankung (Unverträglichkeit von PPI, nächtlicher Säuredurchbruch als Add-on-Therapie).
  • Antazida und Alginate
    • Bei nur sehr sporadischen und kurz auftretenden Beschwerden können Antazida die bessere Substanz sein, da PPI auf die Säurebildung und damit erst auf „die Säure von morgen“ wirken, d. h. „heute Nacht nach Alkohol und üppigem Essen“ noch nicht helfen können
    • Medikamente (Beispiele): Riopan®, Alucol®, Gaviscon®
    • Gaviscon®: Das Algenpräparat kann als „add on” im Falle von anhaltenden Beschwerden trotz PPI vorübergehend sinnvoll sein (pathophysiologische Idee eines refluxverhindernden Netzes auf der kleinen acid pocket*) (8, 9). Diese werden von der Grundversicherung jedoch noch nicht übernommen.

      * „Acid Pocket” bezeichnet einen Überschuss von ca. 50 bis 70 ml Magensäure, der physiologisch unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme auf dem Speisebrei entsteht. Alginate bilden eine gelartige Schicht auf dem Magensaft („Alginatdeckel“) und somit eine mechanischen Barriere gegen das Aufsteigen von Säure aus dem Magen in die Speiseröhre.

4.2. Therapie bei verschiedenen Patientengruppen –> Abbildung 3

⇒ Patient ohne Alarmzeichen mit typischen Refluxsymptomen und ohne Endoskopie

  • Empirische Therapie mit PPI in einfacher Standarddosis einmal täglich 30 min vor der grössten Mahlzeit über 4–8 Wochen; maximale Wirkstärke wird erst nach 5 Tagen erreicht; ev. probatorisch insbesondere als Initialtherapie auch andere Antirefluxpräparate, z. B. H2-Rezeptorantagonisten, Antazida oder Alginate bei genügender Symptomkontrolle
  • Cave: Bei erfolgreicher Therapie nicht abrupt absetzen wegen der Gefahr der Rebound-Azidität! Langsames ausschleichen bis zur auf „on demand“ Therapie
  • Bei ungenügender Wirksamkeit nach 4 Wochen für weitere 4 Wochen (also insgesamt 8 Wochen – Dauer bis zur Heilung einer allfälligen Ösophagitis)
    –> doppelte Standarddosis auf 2 x am Tag aufteilen oder Wechsel auf einen anderen PPI (oder Kombination mit z. B. Alginat); bei unzureichendem Ansprechen –> Endoskopie
  • Bei ausreichender Wirksamkeit, aber anhaltend hohem PPI-Gebrauch –> Endoskopie.

⇒ Patienten mit Verdacht auf NERD (also nach unauffälliger Endoskopie)

  • Bei unkomplizierter GERD (NERD oder Refluxösophagitis Los Angeles Grad A/B) soll die langfristige medikamentöse Therapie an den Symptomen ausgerichtet werden. Übertherapie muss vermieden werden!
  • Bei mangelndem Ansprechen nach 4–8 Wochen: Therapieverlängerung, Dosiserhöhung, Präparatewechsel, evt. pH-Metrie zur Diagnosesicherung
  • Bei Ansprechen weitere Therapie „on demand“.

Abbildung 3: Abklärung und Therapie bei GERD nach Ausschluss von Alarmzeichen (Red-Flags)

⇒ Patienten mit endoskopisch gesicherter erosiver Refluxösophagitis (ERD)

  • Auch endoskopisch eindrucksvolle Schweregrade müssen nicht unbedingt stark symptomatisch sein; eine asymptomatische, aber endoskopisch dokumentierte Refluxösophagitis sollte wie eine symptomatische behandelt werden.
    Tabelle 3: Behandlung der Refluxösophagitis
  • Bei persistierenden Symptomen kann man die Dosis zunächst auf 2 Tabletten tgl. verteilen (bessere Pharmakokinetik), ehe man die Dosis verdoppelt. Symptome können persistieren, obwohl die Ösophagitis selbst abgeheilt ist.

⇒ Patienten mit hypersensitivem Ösophagus (Nachweis durch Impedanz-pH-Metrie)

  • Sprechen selten bis gar nicht auf eine PPI-Therapie an, daher Absetzen und Umstellung auf SSRI, z. B. Fluoxetin (wirksamer in der Symptomreduktion).

⇒ Barrett-Ösophagus

  • Entscheidend für die Frage, ob und welche Überwachung und Therapie, ist das Vorhandensein von Epitheldysplasien. Eine valide histologische Beurteilung hinsichtlich Dysplasie ist erst nach Abheilung einer oft gleichzeitig vorliegenden Refluxösophagitis möglich (d. h. ggfls. erneute Biopsien nach vorausgehender 4–6-wöchiger hochdosierter PPI-Therapie). Je länger das Barrett-Segment ist, desto mehr Proben muss man entnehmen, um den „sampling error“ zu minimieren
  • Metaplasie < 1 cm wird nicht mehr als Barrett bezeichnet und nicht überwacht.

⇒ Verdacht auf extraösophageale Manifestation einer GERD

  • PPI-Therapie in doppelter Standarddosis 2 x täglich für 12 Wochen (z. B. 2 x 40 mg Esomeprazol)
    • Bei zufriedenstellender Kontrolle der EÖS individuelle Titration auf geringste noch wirksame PPI-Dosis
    • Bei fehlendem Ansprechen und fehlenden typischen Refluxsymptomen PPI absetzen
    • Bei Zweifel ob GERD ja oder nein: pH-Impedanz-Metrie ohne Medikation; bei Gastroskopie auf heterotope Magenschleimhautinseln (inlet patches) im proximalen Ösophagus achten –> diese können laryngopharyngeale Symptome verursachen

4.3. Hinweise zum PPI- Deprescribing

Grundsätze (gemäss AGA, 2022)  

  • Patienten mit PPI-Langzeittherapie in doppelter Standarddosierung sollten versuchen, auf einfache Standarddosierung zu reduzieren
  • Bei Patienten mit komplizierter GERD kein abruptes Absetzen der PPI
  • Bei Patienten mit Barrett, oder idiopathischer Lungenfibrose sollte kein Deprescribing-Versuch unternommen werden
  • Bei Patienten, welche aufgrund von verschiedenen Blutungsquellen, wie z. B. Ulcus ventriculi/duodeni, hämorrhagische Gastritis, Mallory-Weiss-Läsion, erosive GERD, M. Ménètrier mit PPI behandelt werden, muss man vor dem Deprescribing das Blutungsrisiko evaluieren –> ausreichende Therapie erfolgt? Gute Compliance? Labor, Kontroll-Gastroskopie
  • Patienten mit hohem Blutungsrisiko sollten nicht für ein PPI-Deprescribing erwogen werden
  • Patienten mit PPI-Langzeittherapie sollten über das Risiko einer vorübergehenden Rebound-Säurehypersekretion informiert werden, wenn ein dose tapering oder ein abruptes Absetzen erfolgt.

Vorschlag zum Vorgehen beim PPI-Deprescribing

  • Bei einer Therapie in Standarddosierung (z. B. 1 x 40 mg PPI) unter 4 Wochen Therapiedauer
    Absetzen des PPI ohne dose tapering (= ohne Dosisreduktion absetzen) und Wechsel auf on-demand-Therapie.
  • Bei einer Therapie in Standarddosierung (z. B. 1 x 40 mg PPI) mehr als 4 Wochen Therapiedauer
    Reduktion auf 1 x 20 mg über 2 Wochen (dose tapering), dann Absetzen des PPI.
  • Bei einer Therapie in doppelter Standarddosierung (z. B. 2 x 40 mg)
    Reduktion auf 1 x 40 mg über 2 Wochen, gefolgt von 1 x 20 mg ebenfalls über 2 Wochen (dose tapering), dann Absetzen des PPI.

4.4. Anti-Reflux-Operation (11)

  • Aufgrund der Überlappungen mit funktioneller Dyspepsie und der an sich guten medikamentösen Behandelbarkeit nur im Ausnahmefall nach umfassender Diagnostik mittels Endoskopie/Bildgebung/pH-Manometrie sinnvoll; nur in einem Zentrum mit sehr hoher Expertise
  • Wichtig: Anti-Reflux-Operation schützt den Patienten nicht vor einem Karzinom und ist diesbezüglich nicht wirksamer als PPI!

 

4.5. Adipositas und GERD

  • Bei adipösen GERD-Patienten ist Gewichtsabnahme ein wesentlicher Bestandteil der Therapie und sollte unbedingt angestrebt werden
  • Die neuen GLP-1-Analoga können aufgrund ihres Wirkmechanismus das Sodbrennen verschlimmern
  • Wenn man sich für eine bariatrische/metabolische Operation bei Patienten mit GERD entscheidet, sollte man einen Magenbypass der Sleeve-Operation vorziehen.

 

5. Literatur

  1. Dent JS, et al.: Epidemiology of gastro-oesophageal reflux disease: a systematic review. 2005;54(5):710.
  2. S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit (S2k-Leitlinie, 03.2023).
  3. Kahrilas PJ: Clinical manifestations and diagnosis of gastroesophageal reflux in adults. UpToDate, aufgerufen 09.23.
  4. Muheim L, Signorell A, Markun S, Chmiel C, Neuner-Jehle S, Blozik E, Ursprung P, Rosemann T, Senn O: Potentially inappropriate proton-pump inhibitor prescription in the general population: a claims-based retrospective time trend analysis. Therap Adv Gastroenterol. 2021 Apr 15;14:1756284821998928. Doi: 10.1177/1756284821998928. PMID: 33948109; PMCID: PMC8053831.
  5. Fass R: Approach to refractory gastroesophageal reflux disease. UpToDate, aufgerufen 09.23.
  6. Eherer AJ, et al.: Positive effect of abdominal breathing exercise on gastroesophageal reflux disease: a randomized, controlled study. Am J Gastroenterol. 2012 Mar;107(3):372-8. Epub 2011 Dec 06. 
  7. Kahrilas PJ: Medical management of gastroesophageal reflux disease in adults. UpToDate, aufgerufen 09.23.
  8. Pouchain D, Bigard MA, Liard F, et al.: Gaviscon® omeprazole in symptomatic treatment of moderate gastroesophageal reflux. A direct comparative andomized trial. BMC Gastroenterol 12, 18 (2012). https://doi.org/10.1186/1471-230X-12-18.
  9. Deraman MA, et al.: Randomised clinical trial: the effectiveness of Gaviscon. Advance vs non-alginate antacid in suppression of acid pocket and post-prandial reflux in obese individuals after late-night supper. Aliment Pharmacol Ther. 2020 Jun;51(11):1014-1021. Doi: 10.1111/apt.15746. Epub 2020 Apr 28. PMID: 32343001; PMCID: PMC7318318.
  10. Hershcovici T, Fass R: Nonerosive Reflux Disease (NERD) – An Update. J Neurogastroenterol Motil. 2010 Jan;16(1):8-21. Doi: 10.5056/jnm.2010.16.1.8. Epub 2010 Jan 31. PMID: 20535321; PMCID: PMC2879816.
  11. Gawron AJ, et al.: Surgical and endoscopic management options for patients with GERD based on proton pump inhibitor symptom response: recommendations from an expert U.S. panel. Gastrointest Endosc. 2020 Jul;92(1):78-87.e2. doi: 10.1016/j.gie.2020.01.037. Epub 2020 Jan 31. PMID: 32007519; PMCID: PMC7321870.
  12. Hvid-Jensen F, et al.: Incidence of adenocarcinoma among patients with Barrett's esophagus. N Engl J Med. 2011;365(15):1375. 
  13. Codipilly DC, Chandar AK, Singh S, et al.: The Effect of Endoscopic Surveillance in Patients With Barrett's Esophagus: A Systematic Review and Meta-analysis. Gastroenterology 2018.
  14. Chen JW, Vela MF, Peterson KA, Carlson DA: AGA Clinical Practice Update on the Diagnosis and Management of Extraesophageal Gastroesophageal Reflux Disease: Expert Review. Clin Gastroenterol Hepatol. 2023 Jun;21(6):1414-1421.e3. doi: 10.1016/j.cgh.2023.01.040. Epub 2023 Apr 14. PMID: 37061897.
  15. Bytzer P, Jones R, Vakil N, et al.: Limited Ability of the Proton-Pump Inhibitor Test to Identify Patients With Gastroesophageal Reflux Disease. Clinical Gastroenterology and Hepatology 201.
  16. Vaezi MF, Yang Y-X, Howden CW: Complications of Proton Pump Inhibitor Therapy. Gastroenterology 2017
  17. Corley DA: Safety and Complications of Long-Term Proton Pump Inhibitor Therapy: Getting Closer to the Truth. Gastroenterology 2019; l. Safety of Proton Pump Inhibitors Based on a Large, Multi-Year, Randomized Trial of Patients Receiving Rivaroxaban or Aspirin. Gastroenterology 2019.
  18. Kirchheiner J, Glatt S, Fuhr U, Klotz U, Meineke I, Seufferlein T, Brockmöller J: Relative potency of proton-pump inhibitors-comparison of effects on intragastric pH. Eur J Clin Pharmacol. 2009 Jan;65(1):19-31. doi: 10.1007/s00228-008-0576-5. Epub 2008 Oct 17. PMID: 18925391.
  19. Graham DY, Tansel A: Interchangeable Use of Proton Pump Inhibitors Based on Relative Potency. Clin Gastroenterol Hepatol. 2018 Jun;16(6):800-808.e7. doi: 10.1016/j.cgh.2017.09.033. Epub 2017 Sep 28. PMID: 28964908; PMCID: PMC6913203.
  20. Harris E: Most People With GERD Don’t Have Increased Esophageal Cancer Risk. Published online September 27, 2023. doi:10.1001/jama.2023.18744.

 

6. Impressum

Diese Guideline wurde im Oktober 2023 erstellt.
© Verein mediX schweiz

Herausgeberin
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel

Redaktion
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel
Dr. med. Felix Huber
Dr. med. Uwe Beise
Dr. med Maria Huber

Autoren
Dr. med. Saskia Büdenbender
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel
Dr. med.
Uwe Beise  

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