Guideline

Arthrose

Erstellt von: Stefan Mariacher, Corinne Chmiel, Uwe Beise Zuletzt revidiert: 10/2022 Letzte Änderung: 10/2022

Rheuma

Für PatientInnen

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in unseren Gesundheitsdossiers.

Aktualisierung 10/2022

  • Die Guideline wurde vollständig durchgesehen, aktualisiert und in einzelnen Kapiteln mit Zusatzinformationen versehen
  • Die Abschnitte zu Chondrocalcinose (CPPD) und Tendinopathien sind nicht mehr Bestandteil dieser Guideline. CPPD wurde in die Guideline Gicht integriert.

 

1. Allgemeiner Teil

1.1. Ätiologie, Epidemiologie

Epidemiologie

  • Arthrose ist eine degenerative Gelenkerkrankung, deren genaue Ursache unbekannt ist. Missverhältnis zwischen Gelenkbelastung und -belastbarkeit. Mehr oder weniger ausgeprägter Zusammenhang mit Veranlagung und erhöhter akuter/chronischer Überbelastung. Familiäre Häufung kommt vor
  • Häufigste Gelenkerkrankung. Eine Kniearthrose weisen im Alter von > 80 J. etwa 50 % der Frauen und 33 % der Männer auf (bei konventioneller Radiologie) (1)
  • Klinisch relevante Knie-, Hand-, und Hüftarthrosen wurden bei 8,9 % der erwachsenen Bevölkerung nachgewiesen (2)
  • Häufigkeitsangaben sind aber wegen schwieriger Abgrenzung zwischen natürlichen Alterungsprozessen und krankhafter Manifestation mit Vorsicht zu interpretieren, insbesondere bei Arthrose 1. Grades.

1.2. Diagnostik  

Anamnestische Hinweise

Tabelle: Anamnestische Kriterien bei Arthrose

 


Diagnostik – Bildgebung (3)

  • Die Diagnose kann bei eindeutiger Anamnese und entsprechendem Untersuchungsbefund klinisch gestellt werden
  • Inspektorisch: Schwellung mit und ohne Verdickung der Gelenkkonturen, Fehlstellung, Atrophie der angrenzenden Muskulatur wegen Schonung
  • Palpatorisch: Druckdolenz der synovialen Strukturen (bei aktivierter Arthrose DD Rheumatoide Arthritis) und vom Gelenkerguss
  • Funktional: Einschränkungen der aktiven und passiven Beweglichkeit.

Röntgen

  • Ist oft verzichtbar. Das Rö-Bild ist geeignet, den Schweregrad der Knorpelschädigung zu bestimmen, sagt aber über die klinische Relevanz der Veränderungen zu wenig aus
  • Typische Befunde: Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Sklerosierung, Osteophyten, subchondrale Zysten
  • Indikation: Allenfalls bei Hinweisen auf eine Arthritis, Unfallfolge oder Systemerkrankung (siehe Red Flags in mediX GL Rückenbeschwerden) sowie präoperativ.

MRI/CT

  • Das MRI ist diagnostisch das beste Verfahren, eine Arthrose zu verifizieren und zu beurteilen (u. a. Ausmass des Knorpelschadens, Zustand angrenzende Knochen, sowie Bänder, Menisken und Muskelansätze). Ob ein MRI durchgeführt werden sollte, sollte individuell entschieden werden. Dabei gilt es, die Frage nach den therapeutischen Konsequenzen zu stellen, welche in der Regel nicht gegeben sind. Ein MRI ist meist nicht sofort erforderlich, es kann bei Bedarf oder auf Wunsch des Patienten auch noch im späteren Verlauf der Erkrankung falls erforderlich erfolgen. Anhand des MRI lassen sich das Verständnis und letztlich das Verhalten des Patienten positiv beeinflussen
  • Bei speziellen Fragestellungen ist das MRI hilfreich: Z. B. Meniskusschädigungen des Kniegelenks mit Blockaden, Rotatorenmanschettenläsionen der Schulter, wenn der Verdacht besteht, dass mehrere Sehnen betroffen sind, oder bei Labrumläsionen des Hüftgelenks; bei den zwei letzteren ist oft zur besseren Beurteilung ein Arthro-MRI (mit Kontrast) nötig
  • Das CT ist am ehesten zur Beurteilung von Knochenpathologien, zumeist im Zusammenhang mit intraartikulären Frakturen, geeignet.

Sonographie

  • Mit Ultraschall sind Weichteile (Sehnen, Muskeln, Faszien, Gelenkkapseln, Gelenkhöhlen, Knorpel) gut sichtbar und beurteilbar. Die Auflösung vom US ist z. B. im Bereich der Schulter für feine Strukturen besser als im MRI, man findet auch kleinere Defekte. Voraussetzung ist der Fähigkeitsausweis US-BA (Ultraschall Bewegungsapparat).

 

1.3. Nichtpharmakologische Therapie

Aufklärung/Selbstmanagement

  • Die Arthrose ist eine chronisch verlaufende Krankheit. Deshalb sind die wichtigsten Massnahmen die Aufklärung über die Erkrankung, deren Verlauf sowie die Befähigung zum Selbstmanagement inklusive Verhalten bei Schmerzexazerbation, zur Adaptation und Prophylaxe im Alltagsleben
  • Gewichtsreduktion ist bei Übergewicht/Adipositas unbedingt anzustreben!
  • Je nach Lokalisation können die nicht pharmakologischen Massnahmen variieren. Idealerweise sollte regelmässig 2–3 x wöchentlich eine geeignete Bewegungstherapie in einer Gruppe oder selbständig durchgeführt werden
  • Unterstützend können verhaltenstherapeutische Massnahmen der Schmerzbewältigung sein (Copingstrategie).

Ruhigstellung

  • Bei akuten Schmerzexazerbationen ist eine vorübergehende Entlastung, z. B. mittels eines Gehstockes sinnvoll
  • Im Bereich des Schultergelenkes sollten bei Ruhigstellung mehrmals täglich Pendelübungen gemacht werden, weil sich im Schultergelenk bei länger andauernder Ruhigstellung schnell Kontrakturen entwickeln können.

Bewegungstherapie

  • Das Motto lautet: Viel bewegen, wenig belasten. Bei stärkeren Schmerzen ist regelmässige Bewegung im Wasser hilfreich, beispielsweise Schwimmen in Rückenlage (Rücken), Crawl (Schultern), Aquajogging (Knie/Hüften)
  • Die Rheumaliga bietet in einigen Kantonen Kurse im Wasser an: Aquacur (physiotherapeutisch geleitete Gruppe, ärztliche Verschreibung nötig) und Aquafit (Gymnastiklehrerin, keine ärztliche Verschreibung nötig). Velofahren, Nordic-Walking und Langlaufen sind auch geeignete Bewegungsformen für Arthrosepatienten sowie Übungen mit Teraband.

Physiotherapie

  • Regelmässige muskuläre Kräftigung, inklusive Heimprogramm. Die Wirksamkeit von Ultraschall und Elektrotherapie ist nicht erwiesen bzw. wird kontrovers diskutiert. Sonophorese oder Jontophorese werden am ehesten zur Unterstützung der Schmerzlinderung eingesetzt, es bestehen jedoch noch wenig evidenzbasierte Daten zu diesen Therapien.

Orthesen/Schuhwerk

  • Patienten mit akuter Schmerzsymptomatik, welche häufig mit Instabilitätsgefühl assoziiert ist, können von einer stabilisierenden Orthese des betroffenen Gelenkes profitieren. Schuheinlagen, Schuh-Absatzhöhe, Härte und Form der Schuhsohle können durch Veränderung der Statik zu gezielter Entlastung der Fuss-, Sprung- oder Kniegelenkskompartimente beitragen, werden jedoch meist nur von der Zusatzversicherung vergütet
  • Schuheinlagen sind meist nur bei symptomatischen Fussfehlstellungen sinnvoll.

Gelenkschutz

  • Hilfsmittel im Haushalt und Körperpflege erhöhen die Selbstständigkeit, die Rheumaliga hat eine Broschüre herausgegeben, in der diese aufgelistet sind und bestellt werden können (Rheumaliga Alltagshilfen)
  • Ergotherapeuten können hinzugezogen werden.

Komplementärmedizin

  • Akupunktur kann Schmerzsymptome lindern, die Effektstärke ist relativ gering (3, 4). Gerac-Studie: Akupunktur nach TCM bei Kniearthrose war konservativer Therapie (Physiotherapie und Analgetika bei Bedarf) überlegen, jedoch nicht besser als Sham-Akupunktur (23)
  • Unter den komplementärmedizinischen Therapien wird bisher lediglich TaiChi und Yoga empfohlen (v. a. bei Kniearthrose –> OARSI Guideline 2019). Weitere komplementärmedizinische Methoden, wie transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), bestimmte Nahrungs(ergänzungs)mittel (z. B. Kurkuma) oder Arthrose-Diäten sowie Homöopathika werden von den Patienten häufig versucht, es existieren jedoch keine wissenschaftlichen Daten über deren Wirksamkeit, sie schaden aber in der Regel auch nicht.  

Radiotherapie (Bestrahlung)

  • Niedrig dosierte Bestrahlung kann bei therapieresistenter Arthrose (v. a. mit entzündlichem Charakter) eine Option mit nachgewiesener Wirksamkeit sein (32). Allerdings ist die Zahl der Institute begrenzt, die diese Behandlung durchführen.

 

1.4. Pharmakotherapie (4–10, 25)

Analgetika

Paracetamol

  • In Dosen von 2–4 g/d* relativ gute Verträglichkeit trotz bekannter Hepatotoxizität. In höheren Dosen kann ev. das Hb um > 1 g/dl abfallen, was i. d. R. ohne klinische Relevanz ist (8). Nach einer Lancet-Studie ist die Wirksamkeit aber deutlich geringer als die von NSAR.

    * Bei Patienten > 75 J. max. 3 g/d, bei älteren gebrechlichen Patienten max. 2 g/d, bei chronischer oder kompensierter aktiver Lebererkrankung sowie bei Untergewicht oder chron. Alkoholkonsum 2–3 g/d. Einnahme von Kombinationspräparaten, die Paracetamol enthalten, abfragen.

NSAR/COX-2-Hemmer

  • Bei ungenügendem Ansprechen auf Paracetamol, v. a. bei entzündlicher Exazerbation. Möglichst kurz, möglichst geringe Dosis!
  • NSAR: Bevorzugt Naproxen (max. 750 mg/d) wegen günstigerem kardiovaskulären Risikoprofil (25). Bei Kontraindikation oder unzureichender Wirksamkeit von Naproxen oder bei Patienten ohne kv Risiko alternativ auch Ibuprofen (max. 2’400 mg/d) oder Diclofenac (max. 150 mg/d). Ibuprofen nicht bei gleichzeitiger ASS-Therapie. Cave: Gastrointestinale, kardiovaskuläre und renale NW!
  • COX-2-Hemmer (Coxibe): Celecoxib (Celebrex®) und Etoricoxib (Arcoxia®) sind wirksam wie klassische NSAR; ob insbesondere Celecoxib magenverträglicher ist, ist umstritten (7). Auch Coxibe haben kardiovaskuläre NW! Weil Coxibe die Thrombozytenaggregation weniger stark hemmen, sind sie eine Alternative bei gleichzeitiger Antikoagulation
  • Kombination NSAR/PPI oder NSAR/Misoprostol: Naproxen plus Esomeprazol (Vimovo®). Kombination NSAR/PPI wird empfohlen bei: Alter > 60 J., Ulkusanamnese, Ko-Medikation mit Aspirin, OAK, Kortikosteroiden. Diclofenac mit Prostaglandin-Analogon Misopristol kann eine Alternative (Arthrotec® 50/75) sein.

Intraartikuläre Steroide (4, 5, 6, 11)

  • Bei akuter Schmerz- und Entzündungssymptomatik
  • Wirkung setzt nach 1–2 Tagen ein, maximale Wirkung nach 1 Wo., dann abnehmend
  • Bei wiederholten Injektionen alle 3 Monate soll nach 2 Jahren keine Wirkung mehr nachweisbar sein (11). Die kristalline Suspension kann zu einer transienten milden Synovitis oder Flush/Gesichtsrötung führen. Vorsicht bei Steroidinjektionen ins Hüftgelenk (s. Kap. 2.2)
  • Vorgehen bei intraartikulärer Injektion: mediX Factsheet Infiltrationstechniken

SYSADOA / Chondroprotektiva / PRP

  • Chondroitinsulfat, Glucosaminsulfat (SYSADOA/Symptomatic slow-acting drugs in osteoarthritis): Widersprüchliche Studienergebnisse und Expertenmeinungen (12–16, 22). In Studien von hoher Qualität ist die Wirksamkeit hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung gering oder auf Plazeboniveau (13, 26–28).
    mediX empfiehlt die routinemässige Anwendung von SYSADOA nicht, in den aktuellen OARSI Guidelines finden sie keine Erwähnung
  • Intraartikuläre Hyaluronsäure: Nicht besser wirksam als Corticosteroide (14), dafür erheblich teurer; ev. eine Option, wenn Steroide nicht (ausreichend) wirksam sind (25). Selbstzahlerleistung, wenn, dann nur an Studienzentren durchzuführen
  • Die intraartikuläre Therapie mit PRP (platelet rich plasma) wird nicht empfohlen. Sie hat lediglich Plazebowirkung, wie eine aktuelle Studie bei Patienten mit Kniearthrose gezeigt hat (JAMA 2021).

NSAR (topisch)

  • Bei Knie- und Handarthrose so wirksam wie orale NSAR (24). Die meisten Studien wurden mit Diclofenac durchgeführt. Einschränkung: Publication bias. Als Alternative zu NSAR kommt Kytta® med Rheumasalbe (kassenpflichtig) in Frage.

Capsaicin (topisch)

  • Wirkt schmerzstillend bei Arthrose, muss 2–3 x tgl. appliziert werden, der Effekt tritt erst nach 2–3 Wochen auf und ist deshalb wenig praktikabel.

 

1.5. Chirurgische Therapie

Arthroskopische Interventionen

  • Arthroskopisches Débridement mit Lavage ist nur in sehr seltenen Fällen (z. B. bei chronischen Infekten) indiziert.

Arthroplastik

  • Indikation: Therapierefraktäre Arthroseschmerzen mit deutlicher Behinderung in Beruf und Alltag. Wirksam in Bezug auf Schmerzen und Funktion, am besten ist dies bei Hüft- und Kniegelenk dokumentiert
  • Haltbarkeit Kunstgelenk: Ungefähr 15–30 Jahre (Knieprothese eher länger haltbar als Hüftprothese)
  • Bei der Wahl des Zeitpunktes sollten die voraussichtliche Haltbarkeit, aber auch die Tatsache, dass mit zunehmendem Alter das Operationsrisiko zu- und die Rehabilitierbarkeit abnimmt, mitberücksichtigt werden. Wenn im Alterssegment von 57–60 Jahren operiert wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der Restlebenszeit die Prothese gewechselt werden muss, ca. 50 %.

 

 

2. Spezifische Gelenkmanifestationen

Die Arthrose tritt häufig im Bereich der Finger-, Mittelfuss-, MTP-Gelenke,  Knie, Hüfte, Hand und Rücken auf, seltener im Bereich des Ellbogens, des Schultergelenks und des OSG/USG.

2.1. Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) (17)

Risikofaktoren/Ursachen

  • Übergewicht, ausgeprägte Stellungsanomalie (genu varus/valgus), starke Belastung (Sportler, Berufe mit knieender Belastung wie Bauarbeiter, Bodenleger), Trauma, St. n. Meniskus-Op (meist bei älteren Patienten, da die Op heute seltener durchgeführt wird).

Symptome: S. oben (Allgemeiner Teil)

  • –> S. Allgemeiner Teil (Kap. 1)

Körperliche Untersuchung

  • Inspektion: Veränderung des Gangbildes: Streckausfall, Achsenabweichung in der Standphase, Gelenkschwellung, aufgetriebene Gelenkkonturen
  • Palpation: Überwärmung, Erguss, synoviale Schwellung bei aktivierter Arthrose, Krepitationen femoropatellär oder femorotibial beim Bewegen
  • Funktionsprüfungen: Eingeschränkte Beugung und Streckung, Instabilität in Frontalebene. Sagittal ist die Stabilität i. d. R. gut, anamnestisch Knieschmerz beim Bergabgehen bzw. Treppabgehen.

Beachte: Knieschmerz kann coxogen oder spondylogen sein!

DD Meniskusschaden oder Knorpelschaden?

  • Differentialdiagnostisch bei Knieuntersuchung den Stellenwert einer Meniskusschädigung einschätzen. Meniskale Abnützungen gehen den chondralen oft um Jahre bis Jahrzehnte voraus, können aber auch parallel manifest werden.

DD Arthrose oder Arthritis?

  • Gonarthrose: Beschwerden progredient, zunächst nur bei Belastung, Besserung durch Wärme
  • Gonarthritis: Oft Ruheschmerzen und Besserung durch Kälte, lokale Entzündungszeichen.

Ausserdem

  • Die Bakerzyste und ein Hinweis auf eine schön länger bestehende Schädigung des Knies, wenn es wiederholt zu Gelenkergüssen gekommen ist, hervorgerufen durch Arthrose, Trauma, Kristallarthritis, Immunarthritiden etc.
  • Vordere Knieschmerzen finden sich häufig bei jungen Patienten (Sportler, Ballett) und sind nicht unbedingt Ausdruck einer Patellararthrose. Es zeigt sich eine (Insertions)-Tendinitis am Ansatz von Quadricepssehne, Ligamentum patellae proximal oder distal. Umschriebene Knorpelschädigungen können vorkommen, speziell wenn synoviale Reizzeichen vorliegen.Die muskuläre Palpation (Triggerpunkte) und Funktionsprüfung (Verkürzung der Quadricepsmuskeln, in Bauchlage geprüft) sind für die klinische Beurteilung sehr wichtig, um die extraartikulären Co-Faktoren zu erfassen. In der Regel bringen gezielte physiotherapeutische Massnahmen eine Besserung.

Röntgen

  • Zur Beurteilung der Knorpelschädigung i. S. einer Gelenkspaltverschmälerung. Dazu muss die Röntgenuntersuchung im Stehen (Einbeinstand/Belastung) erfolgen.

Sonographie

  • Kann u. a. bei der Unterscheidung Synovitis/Erguss hilfreich sein.

MRI

  • Bei fraglich knöchernem Prozess (z. B. beginnende Osteonekrose), zur Beurteilung z. B. von Menisken, Seitenbändern, Synovitis, Erguss oder Knochenödem (bruce bone), Zysten. Auch das Ausmass des Knorpelschadens kann mitbeurteilt werden.

Therapie

  • Konservative Behandlung (siehe Allgemeiner Teil, Kap 1), kniespezifisch prüfenswert: Velotraining auf Heimtrainer zur Beurteilung der Trainierbarkeit: 2–3 x/Woche bei hohem Sattel und Vorgabe von 80 Umdrehungen/min zur Förderung von Kraft und Ausdauer. Während 15–20 min mit kontinuierlicher Steigerung des Widerstands, bis Pulsfrequenz zwischen 120 und 150/min und Leistung über 100 Watt entsteht (falls keine kardiovaskuläre KI besteht)
  • Knietaping: Für ca. 3 Wochen, kann Schmerzen und Bewegungseinschränkung lindern (4–6)
  • Schuhwerk mit Fersendämmung
  • Arthroskopische Gelenksäuberung (Débridement) zur Entfernung von devitalisiertem Knorpelgewebe und Menisken (18, 19) ist nicht indiziert, da der (Langzeit-) Nutzen nicht nachgewiesen wurde (20)
  • Knorpelrekonstruktive Verfahren: Autologe Chondrozytentransplantation, Mosaikplastik, Micro Fracturing sind meist nicht indiziert
  • Gelenknahe Osteotomien können als letzte gelenkerhaltende Operation bei einseitiger medialer oder lateraler Arthrose im Endstadium einen Patientennutzen bringen; zögert die Totalprothese etwas hinaus. Indikation ist von erfahrenem Kniespezialisten zu stellen. Wenn auf einer Seite der Knorpel noch gut erhalten ist, auf der anderen Seite jedoch kein Knorpel mehr vorhanden ist, wird heute eher eine unkondyläre Prothese bevorzugt
  • Teilprothesen: Ev. bei ausgewählten Patienten (Indikation Spezialist)
  • Totalprothesen: Letzte Massnahme vor der Versteifung, wenn alle anderen weniger invasiven gelenkerhaltenden Massnahmen keine angemessene Lebensqualität mehr gewähren. Bei guter Indikation und Durchführung sehr gute Langzeitresultate (auch nach 30 Jahren). Der Zeitpunkt der Operation sollte umsichtig, d. h. auf Grund des Leidensdruckes und der fehlenden Alternativen gewählt werden
  • Arthrodese: Heute nur noch selten eingesetzt, am ehesten bei Protheseninfekt und nicht mehr rekonstruierbarem Gelenk mit Endoprothese.

 

2.2. Hüftgelenksarthrose (Coxarthrose) (21)

Symptome

  • Initial Schmerzen in der Leiste, im Tensor- und Trochantergebiet, im Oberschenkel bis zum Knie, teils beim Anlaufen, teils nach Gehbelastung, selten nachts in Ruheposition, Wichtig: Im Gegensatz zur Kniearthrose Schmerzen beim Treppaufgehen bzw. Bergaufgehen
  • Schwierigkeiten beim Schneiden der Zehennägel oder Anziehen der Strümpfe
  • Steifigkeitsgefühl zunächst beim Sport, dann im Alltag
  • Selten: Blockierungsgefühl mit Einsinktendenz
  • Im Spätstadium: Einschränkung der Gehleistung, Nachtschmerz.

 Untersuchungsbefunde

  • Inspektorisch: Gangbild mit Streckausfall der Hüfte und Duchenne-Hinken (Verlagerung des Körperschwerpunktes über die betroffene Seite in der Standphase, Schrittverkürzung)
  • Funktional: Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit, zunächst Innenrotation, später Abduktion, Extension. Spätphase: Fixierte Fehlhaltung oft in Aussenrotation, Flexion und/oder Adduktion. Trendelenburg-Zeichen positiv bei insuffizienter Glutealmuskulatur, Intermalleolarabstand
  • Palpatorisch: Druckschmerz in der Leiste und im Tensorgebiet.

Spezialfall Hüftkopfnekrose

  • Rasche Progredienz von Hüftschmerzen und Einschränkung beim Gehen (meist bei älteren Frauen); Ruhe- und Nachtschmerz. Bei entsprechendem Verdacht ist zeitnah ein MRI der Hüfte indiziert!

Röntgen

  • Beckenübersichts-Aufnahme ap., Spezialaufnahmen ggfls. beim Facharzt.

Therapie

  • Konservative Massnahmen (siehe Allgemeiner Teil, Kap. 1): Medikamentös, physiotherapeutisch, Bewegungstherapie, Ergonomie
  • Intraartikuläre Steroid-Injektionen haben nicht den gleichen Effekt wie beim Kniegelenk und sollten nicht routinemässig eingesetzt werden. Eine Fall-Kontrollstudie (29) lässt vermuten, dass wiederholte Steroidinjektionen in das Hüftgelenk eine rapide Gelenkzerstörung auslösen können
  • Totalendoprothese: Mit 2'500 CHF/QUALY sehr gutes Kosten-Nutzenverhältnis. Voraussetzung ist aber korrekte Indikation, bewährtes Implantat und schonungsvolle Op-Technik.
  • Gelenknahe Osteotomien spielen heute keine Rolle mehr.

 

2.3. Impingement der Hüfte (Femoroazetabuläres Impingement [FAI]) (30)

Formen

  • Cam-Impingement (Nockenwellen-Impingement): Der Engpass entsteht durch eine verminderte oder fehlende Taillierung oder Wulstbildung des Hüftkopfes („bump"). Der asphärische Hüftkopf verdrängt beim Eindrehen in das Acetabulum (z. B. bei Flexion oder Flexions-/Innenrotationsbewegungen) das Labrum acetabulare und entwickelt (einer Nockenwelle gleich) Scherkräfte, die den acetabulären Knorpel schädigen. Nach längerer Zeit kommt es zu einer sekundären Degeneration des Labrums. Betroffen sind meist Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren
  • Pincer-Impingement (Beisszangen-Impingement): Ursächlich für die Beschwerden ist hier entweder eine zu stark ausgeprägte Oberschenkelkopfüberdachung oder eine Fehlstellung der Hüftpfanne. Bei starker Hüftbeugung stösst der Schenkelhals am Pfannenrand an. Über längere Zeit führt dies zur Labrumdegeneration (Verknöcherung und Zystenbildung im Labrum, bis hin zum Labrumabriss). Der angrenzende acetabuläre Knorpel bleibt lange Zeit wenig beeinträchtigt. Diese Form tritt häufig bei Frauen zwischen 30 und 40 Jahren auf
  • Cam- und Pincer-Impingement treten oft kombiniert auf.

Symptome

  • Stechende tiefe Leistenschmerzen bei plötzlicher Bewegung oder bei längerem Sitzen und Gehen, ev. mit Ausstrahlung in die Füsse
  • Leichte Leistenschmerzen können über Jahre bestehen, ehe es zu akuter Verschlechterung kommt
  • Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder Bergaufgehen.

Diagnose

  • Test: Bei Hüfte in 90 °-Beugung oft verringerte Innenrotation (< 30 °) bei normaler Aussenrotation
  • Schmerzauslösung im Flexion-Adduktion, Innenrotationstest in 90 °-Stellung der Hüfte
  • Schmerzauslösung bei Streckung im Hüftgelenk und Abduktion und Aussenrotation bei Pincer-FAI.

Bildgebung

  • Röntgen Becken (FAI-Deformitäten finden sich auch bei symptomfreien Personen!)
  • MRI (mit Kontrastmittel).

Therapie

  • Zunächst konservativ mit NSAR, Entlastung, physikalische Therapie, Physiotherapie
  • Operative Eingriffe (offen oder arthroskopisch) je nach Verlaufsprofil und Therapieresistenz erwägen, wenn konservative Massnahmen (inklusive manueller Triggerpunkttherapie im Iliopsoas usw.) voll ausgeschöpft und erfolglos geblieben sind. Erfolgsaussichten: Bei ca. 70–75 % Linderung der Beschwerden und Verbesserung der Funktion; die Impingement-Op sollte i. d. R. jüngeren Patienten vorbehalten bleiben (40 % der operierten Patienten im Alter > 40 J. sind 2 Jahre postoperativ wieder symptomatisch wie vor dem Eingriff)
  • Operation bei asymptomatischen Patienten mit FAI-Deformitäten ist nicht indiziert (fehlende Evidenz, dass ein Fortschreiten zur Arthrose verhindert wird).

 

2.4. Handgelenks- und Fingerarthrose

Vorkommen

  • :  = 10 : 1.

Symptome

  • Leitsymptome: Belastungsabhängige, später auch Ruheschmerzen; meist sind mehrere Gelenke betroffen. Die Handgelenksarthrose tritt selten idiopathisch auf, zumeist posttraumatisch oder bei Kristallarthritis (CPPD).
    In der Praxis: Patient(in) fragen nach Faustschluss, Pinzettengriff möglich? Aufzeigen, welche Funktionen nicht mehr möglich sind, und wie bedeutsam das für den Alltag ist
  • Interphalangealgelenke PIP (Bouchard) und DIP (Heberden): Schmerzen, Schwellung, Knötchen und Bewegungseinschränkung, Instabilität
  • Rhizarthrose im Daumensattelgelenk: Im Anfangsstadium meist nur belastungsabhängige Schmerzen. In späteren Stadien Ruheschmerz, ev. in andere Bereiche ausstrahlend. Schwellung und Kapselschmerz bei Druck auf Sattelgelenk oder krepitierender passiver Bewegungsschmerz. Begleitend oft auch Parästhesien aller Finger (DD: Carpaltunnelsyndrom).

     DD Rheumatoide Arthritis

  • Bei der Fingerpolyarthrose sind PIP und DIP betroffen, bei der rheumatoiden Arthritis MCP und PIP
  • Meist symmetrischer Befall mit Synovitis von MCP, PIP und Handgelenken, begleitet von Morgensteifigkeit über 1 h, volarer Handgelenksbeugeschmerz. Typisch: Ulnardeviation der Langfinger und noch recht gut erhaltene Beweglichkeit trotz starker Schwellung (ist heute aber sehr selten dank moderner Rheumatherapie).

Röntgen

  • Allenfalls zur DD Arthritis.

Therapie

  • Bei Schmerzen und Bewegungseinschränkung, fast immer konservativ: Finger bewegen bis zum Schmerz, keine Ruhigstellung; Bewegungsübungen können mit Hilfe von Ergo-/PhysiotherapeutInnen erlernt werden. Wärme hilft immer, Paraffin-Bäder.

Medikamentös

  • Paracetamol, NSAR (topisch oder bei Bedarf oral), intraartikuläre Steroidinjektion.

Operationen

  • Am DIP eher Arthrodese, am PIP eher Arthroplastik, speziell bei funktionell eingeschränkten Fähigkeiten bzw. erheblichen Instabilitäten. Rechtzeitig Beurteilung eines Handchirurgen einholen.

Ausserdem

  • Ergonomische Anpassung von Alltagsaktivitäten.

Rhizarthrose

  • Behandlung mit Wärme, Manualtherapie, Ruhigstellung des Gelenkes durch Anlegen einer Manschette oder einer Schiene. Intraartikuläre Steroidinjektionen können lange Beruhigungsphasen zur Folge haben.
  • Operation: Resektionsarthroplastik, zumeist mit autologem (Sehnen-
    Interponat.

 

2.5. Fussgelenksarthrose

  • Am häufigsten betroffen sind das obere Sprunggelenk, das Grosszehengrundgelenk (Hallux rigidus) sowie die Fusswurzel- und Rückfussgelenke. Die Mittelfussknochen und das MTP1 sind häufig von einer Arthrose 1. Grades betroffen. Die OSG-Arthrose ist fast immer eine sekundäre Arthrose nach Trauma, Infektion, nach Blutung bei Hämophilen oder bei Polyneuropathie.

Symptome

  • Am OSG belastungsabhängige, später beim Anlaufen Schmerzen rundherum mit Schwellungsneigung. Selten Instabilitätszeichen, diese allenfalls als Ausdruck eines propriozeptiven Defizits
  • Am USG eher Steifigkeitsgefühl und diffuser Schmerz
  • Am MTP-I (Grosszehengrundgelenk) Schmerzen speziell beim Barfussgehen in der Abroll- bzw. Propulsionsphase, in gutem Schuhwerk eher weniger Schmerzen (Abrollschutz), ev. Platzprobleme in einem engeren Schuh wegen Schwellung.

Diagnostik

  • Inspektorisch Bewegungshemmung im Abrollvorgang. Aufgetriebene Gelenke. Funktionell eingeschränkte aktive und passive Beweglichkeit mit passiven Bewegungsschmerzen. Palpatorisch Schmerzempfindlichkeit in den synovialen Strukturen
  • Eine Arthrose im USG zeigt sich in einem druckschmerzhaften Sinus tarsi, das USG kann bis zu Wackelbewegungen ankylosiert sein
  • Bildgebung: Röntgen oder MRI, bei V. a. auf Knochenpathologie eher CT (–> siehe Allgemeiner Teil, Kap. 1).

Therapie

  • Akuttherapie
    • Immobilisation/Reduktion der Belastung, Verzicht auf sportliche Aktivität, lokale antiphlogistische und schmerzlindernde Massnahmen (z. B. Kälteapplikation, Steroidinjektionen, Sonophorese). Ev. Paracetamol, NSAR oral bei Synovitis.
  • Nach Abklingen der akuten Phase und chronischen Schmerzen
    • Optimierung der Schuhversorgung zwecks Gelenkschutz beim Abrollen: Schuheinlagen nach Mass können bereits ausreichen. An mehreren Paar Schuhen für Beruf und Alltag können bei Rückfussproblemen Pufferabsätze, Brandsohlenverstärkung und Abrollrampe, bei Vorfussproblemen eine vordere Abrollrampe und Brandsohlenverstärkung verordnet werden
    • Physiotherapie i. d. R. nicht indiziert
    • Intraartikuläre Steroidinjektionen können erstaunlich langanhaltende Wirkung zeigen und gehören in der Regel vor die Operationen.
  • Operationen
    • OSG: Ob eine Gelenkarthrodese oder eine Arthroplastik (Gelenkendoprothese) eher indiziert ist, muss mit dem Spezialisten individuell entschieden werden. Gelenkendoprothetik wird am OSG immer häufiger eingesetzt, auch wenn die vollständige funktionelle Wiederherstellung damit nicht gelingt. Symptomatische Anschlussarthrosen der Nachbargelenke werden auch nach Jahren nur sehr selten beobachtet (bei der Arthrodese sind peritalare Arthrosen nach 10–15 Jahren die Regel!). Die OSG-Prothesen-„Überlebensrate“ beträgt 85–93 % nach 10 Jahren. Weitere Informationen –> siehe SMF (2022)
    • Beim Grosszehengrundgelenk werden Resektions-Arthroplastik, Arthrodese, Osteotomie und auch Arthroplastik angewendet und kontrovers diskutiert.

 

2.6. Schulterarthrose (31)

  • Da der Schultergürtel komplex aufgebaut ist (glenohumeral, acromioclaviculär und sternoclaviculär als weitgehend chondrale, echte Gelenke, subacromial mit der Rotatorenmanschette und scapulothorakal als funktionelle Gelenke), sollte zunächst versucht werden, die Beschwerden einem oder mehreren anatomischen Substraten zuzuordnen und von spondylogenen Schmerzsyndromen der HWS abzugrenzen.

2.6.1. Schultereckgelenk (AC-Gelenk)

Ätiologie

  • Oft posttraumatisch durch wiederholte seitliche Direktkontusionen (Schwinger), ac-Luxationen Grad I–II oder chronische Expositionen bei Überkopfarbeiten. Bei dritt- bis fünftgradigen ac-Luxationen mit Sprengung der coracoclaviculären Bänder muss im weiteren Krankheits- bzw. Heilungsverlauf nicht unbedingt eine spätere AC-Arthrose erwartet werden, da keine echte Artikulation mehr vorliegt.

Symptome

  • Punktuelle, ziehende Schmerzen in der AC-Region, verstärkt bei Adduktion oder Belastung über Kopfhöhe. Auch über Schmerzen, die Richtung Trapezium und Ohr ziehen, wird häufiger berichtet. Das Liegen nachts auf der betroffenen Seite kann schmerzverstärkend sein.

Diagnose

  • Inspektorisch: Vorwölbung über AC-Gelenks. DD: Bei AC-Luxation (II–V) gemäss Rockwood Klassifikation mit Ruptur der cc- und ac-Bänder ist die Schulter abgesenkt, die Clavicula angehoben (Bild kann oligosymptomatisch sein)
  • Tastbefund: Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des AC-Gelenkes
  • Positiver Hyperadduktionstest: Schmerzen in der Schulter, wenn der betroffene Arm vor dem Körper in Richtung Körpermitte geführt wird (Cross-body-adduction-Test).

Röntgen

  • In 2 Ebenen am besten im Seitenvergleich, kann zur DD hilfreich sein.

Therapie

  • Meist konservativ, wirkungsvollste Massnahme: Intraartikuläre Injektion von kranial her mit einer Mischung von 1 ml Kristallsteroid und 3–4 cc Lokalanästhetikum. Nach 2 min hat man die diagnostische Information der klinischen Relevanz durch intraartikuläre Applikation des LA (falls korrekt appliziert)
  • NSAR wirken weniger gut.

2.6.2. Subacromialraum (Impingement-Syndrom)

Ätiologie

  • Chronische degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette bis zu spontanen Rupturen gefördert durch enge räumliche Verhältnisse (Konflikt mit den unterschiedlichen Ausprägungen der vorderen Acromionanteile, gehäuft bei Os acromiale oder caudalen Osteophyten bei AC-Arthrose)
  • Durch Unfälle, speziell von Kontusionscharakter, reissen gesunde Rotatorenmanschetten nicht, es können jedoch vorbestehende Schädigungen verschlechtert werden. Im Extremfall kommt es zum Humeruskopfhochstand mit Anschlag des Kopfes am Unterrand des Acromions bei Abrutschen der Manschettenanteile
  • Impingement-Syndrome können auch bei der Tendinitis calcarea oder bei banalen Reizungen der subacromialen Bursa auftreten.

Symptome

  • Bewegungsunabhängiger Schmerz mit einem schmerzhaften Bogen zwischen 70 ° und 110 ° seitlicher Abduktion, bei Bursitis auch in Ruhe und speziell nachts
  • Schmerz bei Druck auf den vorderen coracoacromialen Bogen
  • Je nach Schweregrad der Rotatorenmanschettenschädigung Missverhältnis zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit der Schulter
  • Bei isolierten subacromialen Manschettenschädigungen ist die passive Beweglichkeit praktisch immer frei, dies im Gegensatz zur eigentlichen Omarthrose und der retraktiven Capsulitis, wo stets eine passive Einschränkung in Aussenrotation und Elevation vorliegt
  • Subacromiale Infiltrationen mit Lokalanästhesie (mit oder ohne Steroidzusatz) von der Seite her eingebracht (s. Factsheet Infiltrationstechniken), können die Diagnose eines subacromialen Konfliktes rasch erhärten, wenn nach wenigen Minuten der schmerzhafte Bogen verschwindet. Dann lassen sich auch die resistiven Manschettentests besser durchführen (Aussenrotation gegen Widerstand in seitlicher 90 °-Abduktion).

Therapie

  • Wenn bei funktionell einigermassen intakter Manschette die subacromialen oder intraartikulären Infiltrationen mit Steroidzusatz und die physiotherapeutischen Massnahmen längerfristig keinen Erfolg bringen, sind die operativen Massnahmen der Défilée-Erweiterungen zu diskutieren
  • Bei funktionell relevanten Manschettenschädigungen rechtzeitig die rekonstruktiven Möglichkeiten der Sehnenplatte erwägen, da ein zu langes Zuwarten (3–6 Monate ab Funktionsverlust) sekundär zur Muskelretraktion und somit zur erschwerten oder verunmöglichten Rekonstruierbarkeit führen kann.

 

SONDERFORMEN VON SCHULTERSCHMERZEN

2.6.3. Retraktive Capsulitis (Frozen shoulder)

  • Häufiger bei Frauen (35–55 J.). Ätiologie unbekannt. Stets selbstlimitierend (meist innert 1 Jahr, bis max. 2 Jahre) mit den Merkmalen einer Weichteildystrophie
  • Die Diagnose erfolgt klinisch, die Therapie ist weitgehend konservativ medikamentös: Glenohumerale Injektionen von ventral her mit einer Mischung von 1 cc Steroid und 9 cc Lokalanästhetikum können die physiotherapeutische Behandlung ermöglichen oder erleichtern.

2.6.4. Tendinitis calcarea

  • Selbstlimitierend, meist bei Frauen in den mittleren Lebensabschnitten
  • Klinisches Bild eines seitlichen „painful arc“, oft kombiniert mit schmerzhaften Prüfungen der passiven Beweglichkeit in Abduktion und Rotation
  • Eine ap-Aufnahme der Schulter sichert die Diagnose
  • Gutes Ansprechen auf Steroidinfiltration. Needling, Stosswellentherapie, Spülungen, operative Kalkherdentfernung allenfalls bei Therapieresistenz auf subacromiale Infiltrationen mit Steroiden.

2.6.5. Glenohumerale Arthrose (Omarthrose)

  • Kommt selten spontan zur Manifestation, meist sekundär nach Trauma/Fraktur, rezidivierenden Luxationen (speziell, wenn operiert) oder Infektion. Bei der Polyarthritis oft auch Schultergelenksbefall, gelegentlich mit Osteonekrose und Chondrocalcinose verbunden. Kann auch bei der Caisson-Krankheit der Taucher vorkommen. Die primäre Form betrifft praktisch nur über 60-Jährige.

Symptome

  • Bewegungsschmerzen langsam progredient mit gleichzeitiger Einschränkung des Aktionsradius bis zur Erschwerung oder Behinderung der Selbstversorgung und Körperpflege
  • Bei einseitigem Befall meistens lange Zeit noch gute Kompensationsfähigkeit durch die Gegenseite. Oftmals starker nächtlicher Ruheschmerz
  • Inspektorisch Schonhaltung, in der Bewegungsprüfung Einschränkung der passiven Beweglichkeit verbunden mit schmerzhaften Krepitationen.

Röntgen

  • Sichert die Diagnose der glenohumeralen Schädigung.

Therapie

  • Konservativ mit symptomatisch wirkenden Medikamenten, auch NSAR, ev. intraartikulär Steroide glenohumeral, bei Manschettenschaden auch seitlich subacromial; mobilisierende Physiotherapie. Ergotherapeutische Beratung bezüglich Hilfsmittel zur Verbesserung der Selbständigkeit
  • Bei starken therapieresistenten Nachtschmerzen und drohendem Verlust an Selbständigkeit Kontaktaufnahme mit dem Orthopäden hinsichtlich Schulterprothese. Auch bei ausgedehnten Rotatorenmanschettenschäden kann mit der „Inversen Prothese“ erfolgreich behandelt werden.

 

2.7. Rückenarthrose

  • Betroffen sind häufig die Intervertebralgelenke und die Zwischenwirbelscheiben, die resultierenden Osteophyten können cervikal zu einer Myelopathie, und lumbal zum Syndrom des engen Spinalkanals führen. Das Thema wird in der mediX Guideline Rückenbeschwerden abgehandelt.



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4. Impressum

Diese Guideline wurde im Oktober 2022 aktualisiert. 
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Herausgeberin
Prof. Dr. med. Corinne Chmiel

Redaktion 
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Dr. med. Maria Huber


Autoren
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